Ein filmisches Stück New York, das zuletzt verloren ging zwischen angestaubtem Woody Allen’schem Intellektuellenmekka, gleichermaßen mondänem wie klaustrophobischem Brooklyn-Hipstertum und Blockbusterkulisse für Katastrophen- und Actionfilm, beschwören die Geschwister Ben und Josh Safdie in ihrem Krimithriller „Good Time“ herauf. Namentlich das ruppige New York der 70er-Jahre, in dessen Betonschluchten und Brownstone-Alleen Regisseure wie Sidney Lumet, Martin Scorsese und William Friedkin die fiebrigen Nachwehen des Summer Of Love in Form von urbanen Eremiten, psychotischen Außenseitern und fragwürdigen Heldenfiguren projizierten. Bereits die schonungslos rasanten ersten Minuten werfen einen in jenen desorientierenden Dschungel aus engen Sozialamtsbüros, panzerverglasten Geldwechelstuben und brutaler Knasthärte, durch die Gangster Connie (Robert Pattinson) und sein geistig beeinträchtigter Bruder Nick (Ben Safdie) tigern. Ums nackte Überleben geht es dabei nicht nur beim Überfall der Brüder auf eine Bank, sondern – nachdem dieser misslingt – vor allem bei Connies Versuch seinen von der Polizei festgenommenen Bruder aus den mit gleichgültiger Ebarmungslosigkeit mahlenden Mühlen der Justiz zu befreien. Dass der labile Nick den Herausforderungen des Gefängnislebens gewachsen ist scheint höchst unwahrscheinlich, dass ihn der Aufenthalt dort in Körper und Seele brechen wird ist unausweichlich. Weshalb Connies Mission von nervöser Energie getrieben ist, während er auf der Suche nach dem nötigen Kautionsgeld immer tiefer in die hässliche Unterwelt New Yorks hinabsteigt. Die Selbstsicherheit, mit der die Safdie-Brüder hier Taktung, Atmosphäre, Schnitt und Handlung zu einem intensiven Thriller zusammenfügen, ist dabei ebenso beeindruckend wie der atemlose Film selbst.
9/10
Good Time
Alive/VÖ: 09.03.