Ray Wilson ist wohl das, was man einen bodenständigen, schottischen Rock‘n‘Roll-Arbeiter nennt. Gut gelaunt gibt der mittlerweile in Polen lebende Ex-Stiltskin-, Ex-Genesis-, dann wieder Stiltskin-Barde Auskunft über sein neues Soloalbum, die Seele von Popmusik und den Drang zum Gutmenschentum.
Hallo Ray, vielen Dank, dass du an einem Ostermontag für ein Interview zur Verfügung stehst – nicht besonders religiös, oder?
An Gott glaube ich schon, aber diese ganzen Konfessionen – der eine weiß es besser als der andere, was ein Quatsch! Wenn man nur an Gott als spirituelle Energie glaubt, kann man auch an Feiertagen Promo machen. (lacht)
Dein neues Soloalbum, das überraschend nicht unter dem Stiltskin-Banner läuft, hört auf den Namen CHASING RAINBOWS und ist ein sehr melodisches, ruhiges Werk geworden.
Ja, ich bin auch ein total ruhiger Typ. (lacht) Im Ernst: Ich hatte verstärkt akustische Arrangements, die ich mit Peter Hoff ausgearbeitet habe. Da wäre Stiltskin unpassend gewesen.
Auch das Saxofon klingt nicht gerade nach Post-Grunge, gefällt mir aber sehr gut.
Danke, das war ein heißes Eisen. Peter wollte es partout nicht auf dem Album haben, aber ich war fest überzeugt, dass dies das gewisse Etwas bei den Stücken ausmacht. Schön, dass es dir gefällt, das werde ich ihm gleich auf die Nase binden… (lacht)
Es verleiht Stücken wie dem Opener ›Take It Slow‹ erst die nötige Seele, die man mitunter in der heutigen Radiolandschaft nicht mehr findet.
Hör bloß auf! Gerade in meiner britischen Heimat ist es besonders schlimm. Alles klingt gleich, Spartensender gibt es schon lange nicht mehr. Echte DJs, die Platten vorstellen – Fehlanzeige! Leute wie John Peel [legendärer britischer Radio-DJ; Anm.d.Verf.] sind ausgestorben. Es gibt doch maximal noch drei Produzenten, die heute Popmusik erschaffen – oder sollte ich sagen gleichschalten? Wenn es einen USB-Stick mit „Seele und Emotionen für Popsongs“ gäbe, diese Leute würden ihn kaufen und einfach in jedes Laufwerk reinstecken.
Zum Glück funktioniert das noch nicht bei Live-Musik…
Nein, und deshalb definiert und finanziert sich die Ray Wilson Band auch über ausgedehnte Tourneen. Wir spielen mit den verschiedenen Formaten ca. 160 Shows im Jahr, Airplay und Albumverkäufe sind nur Bonus.
Du hast die verschiedenen Formate, mit denen du unterwegs bist, schon angesprochen. Etwas verwirrend mitunter?
Das gebe ich zu, aber meine musikalische Vergangenheit erlaubt mir hier etwas Einmaliges: Ich kann drei völlig unterschiedliche Live-Projekte anbieten. Hast du ein Theater und möchtest Ray Wilson buchen? Kein Problem, wir kommen mit Orchester und spielen eine Genesis-Classic-Show. Du hast nur einen kleinen Pub? Auch okay, ich komme solo mit Gitarre unter dem Arm. Alternativ dazu gibt es die Ray Wilson+Stiltskin-Schiene, die wir fahren können. Alles mit eigenem Equipment, Transport und Technikern. Ich war nie ein Künstler mit einem Erfolg wie David Bowie. Aber ich habe die Freiheit, dies alles möglich zu machen. Das ist für Fans, Booker und uns als Musiker verdammt spannend.
Spannend ist auch deine Hilfsorganisation, die Ray Wilson Foundation.
Ein tolles Projekt, das ich seit Jahren unterstütze. Die Stiftung lebt von privaten Gönnern, und wir fördern z.B. Lernbetreuung von unterprivilegierten Kindern oder ein DanceLab. Ich habe immer Sorge, dafür Werbung zu machen.
Warum das?
Es hat mal den Vorwurf gegeben, ich wolle damit nur meine Musik promoten.