Sechs Jahre nach ERA VULGARIS meldet sich Josh Homme mit einem Paukenschlag zurück: Auf dem fünften Album der Queens tummeln sich Gäste wie Elton John, Dave Grohl und Trent Reznor – und tiefentherapeutische Texte, die die schlimmste Phase seines Lebens reflektieren.
Er ist ein Baum von einem Kerl: Joshua Michael Homme, gerade 40 geworden, misst nicht nur stattliche 1,90 Meter, sondern hat auch die Statur eines Holzfällers: Breitschultrig, muskulös, mit dezentem Bauchansatz. Und natürlich erscheint er nicht im Sportwagen, Hybrid-Familienfahrzeug oder per Limo, sondern kommt mit einer Falcon angeknattert. Ein Nachkriegsmotorrad, auf dem er mit silbernem Helm, hellen Lederhandschuhen, offenem Hemd und breitem Grinsen etwas geradezu Diabolisches hat. „Die einzige Möglichkeit, den Straßenverkehr von Los Angeles zu überleben, ist den Leuten Angst zu machen. Nur dann verhalten sie sich entsprechend vorsichtig.“
Eine Philosophie, die er nicht nur auf dem heißen Asphalt, sondern in allen Bereichen seines Lebens wie Musizierens anwendet. Denn der Mann aus Palm Desert ist ein Unikum: ein Dickkopf, Querdenker und Totalverweigerer. Obwohl er durch seine Arbeit mit Kyuss, Them Crooked Vultures, den Queens sowie zahlreichen Gastauftritten bei berühmten Kollegen längst Promi-Status genießt, hält er sein Privatleben mit Ehefrau Brody Dalle (Spinnerette) und zwei kleinen Kindern komplett unter Verschluss, ist nicht Teil des Hollyweird Way Of Life und verweigert sich konsequent den Mechanismen der Musikindustrie. Sprich: Er produziert seine Alben im eigenen „Pink Duck“-Studio, schielt nicht auf die Welt der Charts und Mehrzweckhallen und veröffentlicht lieber bei einem Renommier-Indie als einem Major-Label, wo er permanenten Ärger wittert. „Ich habe keine Lust auf diese unsinnigen Diskussionen, wie ein Album klingen muss, um sich auf dem Markt zu behaupten, oder welch cleverer Marketingstrategien es dazu Bedarf. Das ist doch alles Blödsinn, der das Wichtigste komplett übersieht: Die Qualität der Songs und die Umsetzung der künstlerischen Vision. Das ist es, worauf es ankommt. Aber nicht, welches Supermodel sich in deinem Video räkelt, wer das Ganze remixt oder ob da Will.I.Am mitwirkt.“
Starke Worte, denen er auf …LIKE CLOCKWORK, dem ersten Queens-Album seit 2007, ebensolche Taten folgen lässt. Nämlich zehn Songs, die zum einen ein breites Spektrum zwischen Garagenrock, 70s Glam, New Wave, Cabaret, bewusstseinserweiternder Psychedelia, bombastischen Balladen und purer Avantgarde abdecken, aber auch das wahrscheinlich Intimste, Persönlichste und Therapeutischste sind, was Homme je veröffentlicht hat. Aus gutem Grund: Die Jahre 2008 bis 2011 waren die schwierigsten seines Lebens. Angefangen bei endlosen Touraktivitäten zu ERA VULGARIS über die Rolle als Sänger/Gitarrist und Texter der Supergroup Them Crooked Vultures (mit Dave Grohl und John Paul Jones) bis hin zu einem schweren Motorradunfall und atmosphärischen Spannungen innerhalb der Queens. „Ich rede nicht gerne darüber. Einfach, weil ich nicht wie eine gottverdammte Sissy rüberkommen will, die gar nicht weiß, wie gut sie es im Leben hat. Außerdem sprechen die Texte für sich: Ich habe noch nie so viel über meine Unsicherheit und Zweifel verraten. Wer ein bisschen Zeit investiert und genauer hinhört, merkt sofort, wie verwundbar und fertig ich zu der Zeit war, als sie entstanden sind. Denn ich lasse da wirklich alles raus und verstecke mich nicht. Ich erzähle, wie wichtig mir meine Familie ist, wie ich nach Ruhe und Geborgenheit suchte, wie ausgepowert ich vom Touren und der Doppelbelastung zweier Bands war und welchen Effekt der Motorradunfall hatte, bei dem ich 2010 fast gestorben wäre. Das sind alles Sachen, die wirklich heftig waren.“
Also düsterer Stoff, der aber auch helle, witzige und selbstironische Momente aufweist. Wie den Albumtitel, der einen fast zweijährigen Studioaufenthalt samt diversen fehlgeschlagenen Anläufen, personellen Umbesetzungen (Ausstieg von Drummer Joey Castillo) und wachsender Verzweiflung ganz lakonisch mit einem „alles im Zeitplan“ kommentiert. „Es ist purer Galgenhumor“, lacht Josh. Wobei die Sessions, die ihn mehr als einmal an seine Grenzen geführt haben, aber auch zahlreiche Höhepunkte hatten. Darunter die Gastauftritte von Trent Reznor (NIN), Alex Turner (Arctic Monkeys), Mark Lanegan sowie Sir Elton John. „Sein Chauffeur ist ein ehemaliger High-School-Buddy von mir. Und weil Elton scheinbar gerne die Queens beim Autofahren hört, bot er ihm an, mich einfach mal anzurufen. Was dazu führte, dass ich irgendwann Elton John am Hörer hatte, der mir erzählte, dass er unbedingt etwas mit mir machen wolle. Zuerst hielt ich das für einen Scherz und war sehr kurz angebunden. Aber dann meinte er mit seinem urenglischen Akzent: „Es wird höchste Zeit, dass bei euch mal eine echte Queen mitspielt.“ Da musste ich lachen. Und ein paar Tage später war er dann bei uns im Studio, hat sich zuerst wie eine richtige Diva benommen, die tausend Sonderwünsche und zig Assistenten im Schlepptau hatte, aber dann auch fast sechs Stunden mit uns jammte. Eben wie ein richtiger Musiker, der quasi auf Zuruf spielt, ein extrem breites Spektrum beherrscht und tolle Ideen hat. Ich habe die Zeit mit ihm sehr genossen – genau wie Dave, der ebenfalls dabei war, und ein großer Fan von ihm ist. Ich meine, Elton John auf einem Queens-Album zu haben, ist in etwa so, wie mit Rob Halford oder Freddie Mercury zu singen. Eine echte Sternstunde.“
Davon, so der Elektrozigarettenraucher, soll es in Zukunft noch möglichst viele geben. Schließlich plant er derzeit nicht nur ausführliche Touraktivitäten, sondern auch ein zweites Them Crooked Vultures-Album, eine Compilation mit Coversongs der Marke ›What Have You Done For Me Lately?‹ (Janet Jackson), ein Duett mit „drinking buddy“ Florence Welsh (›Jackson‹) sowie Soundtracks für „No Reservations“, die TV-Show von Sternekoch Antony Bourdain, dem er auch sein neuestes Hobby verdankt: „Ich verbringe das Wochenende zuhause in der Küche – mit meiner Frau, meinen Kindern, viel Wein und gutem Essen. Meine Spezialität ist Chicken Cordon Bleu nach dem Rezept meiner Mutter. Das ist unglaublich lecker. Und ich esse gerne… Ich meine, das sieht man mir an. Aber es ist auch ein wichtiger Ausgleich zu dem ganzen Stress, den ich so habe. Denn es gibt leichtere Jobs auf der Welt, als seinen Lebensunterhalt mit Rockmusik zu verdienen. Wer mir das nicht glaubt, soll mal zwei Jahre auf Tour gehen. Dann reden wir weiter.“