Das Quintett Prime Circle scheint sämtliche Hürden eines Musikerlebens sorgenfrei zu nehmen – ohne Rückschläge. Nur gelegentlich stoßen die Südafrikaner auf Probleme, die außerhalb ihrer
Lösungsmöglichkeiten liegen.
Solch ein Erlebnis hatte Sänger/Rhythmusgitarrist Ross Learmonth, wodurch sich das Gespräch mit CLASSIC ROCK um einen Tag verschob. Also hakten wir sofort nach: Seid ihr mittlerweile schon so begehrt, dass ihr eure Telefoninterviews erst 24 Stunden später wahrnehmen könnt?
Begehrt sind wir schon, allerdings nicht so sehr. Aber wir hatten gestern eine Show an der Küste. Dort gab es ein gewaltiges Unwetter, das brachte alles durcheinander.
Ganz im Gegensatz zu eurer Karriere. Die scheint komplett durchgeplant und schrittweise umgesetzt zu werden.
Das sieht nur von außen so aus. Tatsächlich war es ein Sprung ins Ungewisse, als wir 2002 unsere Heimatstadt Witbank verließen. Doch wir waren damals als Band so weit gereift, dass wir unbedingt den nächsten Schritt wagen mussten. Schließlich wollten wir Alben veröffentlichen. Das ist uns 2002 mit HELLO CRAZY WORLD auch erstmals gelungen.
Elf Jahre später seid ihr mit eurem fünften Longplayer EVIDENCE mehrfach für den South African Music Award, der im Mai verliehen wird, nominiert. Hat dies nach all den Erfolgen noch eine Bedeutung für euch?
Definitiv! Denn wir sind auch in der Kategorie „Bestes Album“ nominiert. Sollten wir hier gewinnen, wäre das die Krönung unserer bisherigen Entwicklung.
Die erst aufgrund eurer stetigen Tourneen durch Südafrika möglich wurde. Vermisst ihr heutzutage die Auftritte in den kleinen Clubs?
Das müssen wir gar nicht, denn wir touren fast ununterbrochen. Und wir spielen, abhängig von der gebuchten Halle, an einem Abend vor 200 Leuten, am nächsten vor 9000.
Es scheint, als würdet ihr dazu beitragen, die immer noch existenten Mauern zwischen schwarzen und weißen Einwohnern einzureißen. Sie kommen ja alle zu euren Konzerten.
So weit würde ich nicht gehen. Ich habe den Eindruck, dass wir uns in einer Phase befinden, in der sich die Barrieren eher von selbst auflösen, weil sie ohnehin sinnlos sind. Musikalisch geht das eben ein wenig schneller: Schwarze Jugendliche interessieren sich verstärkt für Rockmusik, weiße für Rap/HipHop.
Aber ihr habt durch euer Mitwirken bei den „Nelson Mandela 46664“-Konzerten, die einen Beitrag zum Bewusstsein für die Probleme mit AIDS leisten sollen, zusätzlich ein Bekenntnis zum Vermächtnis des großen Freiheitskämpfers geliefert. Spielte die historische Dimension auch dabei eine Rolle, dass ihr neben Südafrika besonders häufig in Indien tourt? Immerhin trat Mohandas Karamchand Gandhi, bekannt als Mahatma („große Seele“), mit seinem Leben für die Gleichbehandlung aller Menschen ein. Durch sein Wirken als Rechtsanwalt für die indischen Auswanderer in Südafrika entstand eine enge Verbindung zwischen beiden Ländern, wie es sie vorher nicht gab.
Wir sind uns der Parallelen durchaus bewusst und bewundern beide. Dass wir ein wenig in ihrem Sinne wirken können, ehrt uns – auch, wenn es „nur“ mit unserer Musik ist.
Doch Musik, auch eure, kann wichtige Beiträge zu den Veränderungen in der Welt leisten. Nicht so große allerdings, wie es in einem Titel eures aktuellen Albums ›King For A Day‹ verheißen wird. Was tätest du, wenn du einen Tag lang über fast unbeschränkte Macht verfügtest?
Aus meiner Sicht ist das größte Problem auf der Erde, dass die Menschen zu einsam sind. Deshalb würde ich das Ende der Einsamkeit befehlen. Dadurch käme garantiert mehr Glück in die Welt.
Jörg Schulz