Aerosmith versprechen, deinen Geist zu befreien. Slash startet an allen Fronten durch. Black Sabbath haben noch eine offene Rechnung zu begleichen. ZZ Top wollen Traditionen verwüsten. Rush wenden sich dem Steampunk zu. Und Kiss sind… nun, eben Kiss. Ja, es sieht nach einem hervorragenden Classic Rock-Jahr aus, was unser ultimativer Wegweiser für die größten und besten Alben für 2012 beweisen wird…
Auf ihrem 20. Album reisen Rush zurück in die Zukunft. Das bedeutet auch verrückte Konzepte, epische Songs und ein Gespräch über Zeitmaschinen.
RUSH
In Geddy Lees Heimstudio ging es in den letzten Wochen sehr entspannt zu. Mit offenen Fenstern und Blick auf den Garten tüftelten er und Gitarrist Alex Lifeson an Songs, Riffs und Solos. Das alles gehört zum Entstehungsprozess ihres 20. Studioalbums CLOCKWORK ANGELS. Am Ende dieser Phase stößt auch Schlagzeuger Neil Peart zu seinen Kollegen, um mit ihnen für die Aufnahmen zwei Studios in ihrer Heimatstadt Toronto zu beziehen: Revolution Recording und die Noble Street Studios. Beide Gebäude sind aus Stein und Glas gebaut, mit Holzböden und hohen Decken. Außer-dem besitzen sie die passende Ausstattung, um Neil Pearts Schlagzeug zum Leben zu erwecken. „Das letzte Mal konnten wir in der ganzen Stadt keinen Raum finden, der gut klingt und in den Neils Schlagzeug hineinpasst“, grinst Bassist und Sänger Geddy Lee. „Doch beide Studios haben den Qualitätstest unseres Produzenten Nick Raskulinecz bestanden – und somit werden wir wohl noch eine Weile in Toronto rumhängen.“
Auch wenn die Band sich keinen exakten Zeitplan gesetzt hat, müsste sie jetzt schon mit den Aufnahmen fertig sein und sich im Mixing-Prozess befinden. Schließlich peilen sie eine Veröffentlichung im Mai an. Zwei der Songs, die auf CLOCKWORK ANGELS vertreten sind, stellten Rush im letzten Jahr schon live vor: das kompakte, aber ausdrucksstarke ›Caravan‹ und ›BU2B‹.
„Diese Songs haben wir kurz vor dem ersten Teil unserer Time Machine-Tour geschrieben“, er- zählt Lee. „Wir wollten den 30. Geburtstag von MOVING PICTURES feiern, doch gleichzeitig kam es uns ein bisschen komisch vor, ohne neues Material zu touren. Wir hatten einen Monat Zeit und dachten: Warum basteln wir nicht ein paar Songs zusammen, nehmen sie auf und schauen, was dabei rauskommt. Sie wurden richtig gut. Also hatten wir noch einen kleinen Vorgeschmack auf das neue Album mit im Gepäck.“ Ironischer-weise wurde die Time Machine-Tour das Opfer ihres eigenen Erfolgs. „Wir hatten eigentlich ge- plant, gleich nach der Tour wieder am neuen Album arbeiten zu können. Doch leider – oder zum Glück – war sie so erfolgreich, dass wir sie verlängern mussten“, grinst Geddy. „Deswegen mussten wir das Album erst einmal nach hinten stellen.“
Nachdem endlich alle Ablenkungen beseitigt waren, stürzten sie sich Ende 2011 wieder in die Arbeit. Wie bei ihrem letzten Album SNAKES & ARROWS (2007) wurde Produzent Nick Raskulinecz engagiert, um „Rush dazu zu bringen, Rush zu sein“, wie Lee es ausdrückt. „Nick ist ein Meister darin, uns so miteinander spielen zu lassen, wie wir es auch auf der Bühne tun“, erzählt Lee. „Das ist im Studio sehr schwer, da man sich extrem darauf konzentriert, die einzelnen Elemente der Songs zusammenzusetzen. Da braucht man ein-fach jemanden, der mal sagt: Ihr drei könnt spielen, also spielt einfach.“
Was Songtitel angeht, hält sich der Bassist eher bedeckt. Doch er verrät, dass der Titelsong ein typisch epischer Rush-Song ist. „Er ist ein längeres Stück und wird während der Arbeiten wohl noch länger werden“, lacht er. „Er ist noch nicht im zwei-stelligen Minutenbereich, aber wir versuchen, alle Songs so lang wie möglich zu machen.“
Die Länge der Songs ist nicht die einzige Verbindung zu Rushs Vergangenheit. CLOCKWORK ANGELS ist ein Konzeptalbum – wenn auch eines, das Science Fiction-Spinner Philip K. Dick ausgeheckt haben könnte, wenn er zu viel Jules Verne gelesen hätte. „Es erzählt eine Geschichte“, erklärt Geddy. „Als wir über verschiedene Themen diskutierten, siegte am Ende die Idee von einer anderen Art von Zukunft in Verbindung mit der Ästhetik des Steampunk. Es ist eine futuristische Sichtweise, die ihre Wurzeln in der Vergangenheit hat. Das macht es so interessant. Wenn man sich die Designs des Steampunk an- sieht, fällt einem auf, dass alle dem viktorianischen Stil nachempfunden sind, der auf magische Weise in die Zukunft gereist ist.“
Philip Wilding
AEROSMITH
Im vergangenen Jahr lieferten sich Steven Tyler und Joe Perry eine öffentliche Schlammschlacht. Mehrere Male sah es so aus, als wäre das Ende von Aerosmith gekommen. Doch die beiden Streithähne haben sich wieder zusammengerauft.
Das letzte Jahr war eine extreme Achterbahnfahrt für jeden Aerosmith-Fan. Über Monate mussten sie zusehen, wie sich Sänger Steven Tyler und Gitarrist Joe Perry öffentlich in den Haaren lagen. Hervorgerufen wurde der Streit, als Tyler den Wunsch äußerte, eine Solokarriere zu starten. Er gipfelte schließlich in der Behauptung Perrys, das nächste Album eben ohne Tyler zu veröffentlichen. Daraufhin nahm der Sänger einen Job bei der US-Castingshow „American Idol“ an – und verlor dadurch viel von seiner Glaubwürdigkeit. Schließlich rauften sich die Streithähne zusammen und fingen an, an etwas zu arbeiten, was keiner mehr für möglich gehalten hatte: dem ersten neuen Studioalbum seit mehr als zehn Jahren.
Schon vor der Auseinandersetzung zwischen Tyler und Perry stand die Entstehung des 15. Langspielers der Band unter einem schlechten Stern. Diverse Produzenten wurden in den vergangenen Jahren getestet, doch mit keinem wollte es klappen. Schließlich wurde es der Band zu bunt. Also holten sie sich Jack Douglas ins Boot. Dieser hat nicht nur über ein halbes Dutzend Alben der Band seit 1974 produziert, sondern zählt auch als inoffizielles sechstes Mitglied von Aerosmith. Im Juli 2011 fanden sich alle Beteiligten in den Pandora’s Box Studios in South Boston ein, um endlich mit den Aufnahmen zu beginnen.
Scheinbar konnte Douglas den Fluch brechen. 15 Songs sind bereits eingespielt – ein paar sollen noch folgen. „Die Songs für unser neues Album sind schon alle geschrieben, aber ich muss noch die Texte drüberlegen“, verriet Steven Tyler vor kur-zem auf einer Pressekonferenz. „Ich hatte nicht so viel Zeit, aber das, was ich bis jetzt gehört habe, hat mich umgehauen. Ich erkenne einen guten Song. Ich weiß, was im Radio gespielt werden wird. Ich würde nicht soweit gehen und sagen, dass wir Hits haben. Aber ich denke, dass wir zumindest etwas haben. Und darum geht es doch, oder?“
Ebenso kryptisch äußert sich Joe Perry über die neuen Songs: „Wir schreiben unsere Songs immer mit dem Hintergedanken, wie sie live umzusetzen sind. Außerdem kann ich soviel verraten: Einige erinnern sehr an unsere Wurzeln, nämlich an Rock’n’Roll. Damit haben wir schließlich angefangen.“
Auch Produzent Jack Douglas will nicht viel ver-raten, nur, dass der Titel des Albums und die Songs von „Andersartigkeit“ handeln. Es seien Stücke, die dem Hörer helfen werden, seinen Geist zu befreien und sich auf eine wundervolle Reise zu begeben.
Douglas zufolge soll das Album im Mai erscheinen. Es scheint fast so, als hätten Aerosmith nach all dem Chaos der letzten Jahre nun endlich alles zusammen. Und wenn man allen Anzeichen glauben will, so ist die Band bereit, sich ihren Platz an der Spitze des Rockolymps zurückzuerobern. Wir sind mehr als gespannt!
Simone Bösch
SLASH
Ohne große Namen, dafür mit einer Band, die gemeinsame Pyjama-Partys nicht scheut – so wird Slashs kreatives zweites Studioalbum.
Slash hat eine Faustregel, um zu bestimmen, wer sein zweites Soloalbum mögen wird und wer nicht. „Wenn dir der erste Song gefällt, dann wirst du das ganze verdammte Album mögen“, meint der Gitarrist. „Und wenn nicht, ist das auch egal. Es ist auf jeden Fall der Wahnsinn.“
Die Aufnahmen des Albums – es soll im April erscheinen, hat aber noch keinen Titel („Es wird auf keinen Fall SLASH II heißen“) – sind ein Modell für Effizienz. Das Material wurde auf Tour mit einem mobilen Studio ausgearbeitet, bevor Slash mit seiner Tourband – bestehend aus Sänger Myles Kennedy, Bassist Todd Kerns und Schlagzeuger Brent Fitz – zusammen mit Produzent Eric Valentine in die Barefoot Studios in L.A. ging. Während ihr das hier lest, wird schon ein beachtlicher Teil der Songs eingespielt sein, wie etwa ›Bad Rain‹, ›Halo‹ und ›Standing In The Sun‹.
Während auf seinem Debüt im Jahre 2010 hoch-karätige Gaststars mitwirkten, funktioniert das momentane Bandgefüge auf dem Zweitling mehr als gut. „Die Sache mit den vielen Gastsängern war etwas Einmaliges“, so Slash. „Ich kann mich selbst nicht mal summen hören. Deswegen wäre ich ein furchtbarer Frontmann.“ Für diesen Job ist Myles Kennedy wie gemacht. „Dieses Album ist in vielerlei Hinsicht besser als SLASH, da es von einer Rockband gemacht wurde, die ihre eigenen Songs spielt“, sagt der Gitarrist. „Man kann mit den Jungs tolle Songs schreiben. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß beim Entwickeln neuer Lieder. Vor allem das Zusammenwirken von mir und Myles wird die Leute am meisten überraschen. Die Chemie zwischen uns ist um einiges stärker als die zwischen Scott (Weiland bei Velvet Revolver) und mir. Die ganze Band wohnte bei mir zu Hause. Wir sind jeden Tag zusammen ins Studio gefahren. So eine Erfahrung habe ich während meiner gesamten Karriere nicht gemacht – egal mit welcher Band.“
Slash sagt, der Schlüssel der Inspiration ist deren Mangel. „Die alten Platten gehen mir mit der Zeit auf die Nerven“, grinst er. „Ich habe mir alle bis zum Erbrechen angehört. Momentan gibt es kein neues Album, das mich fesselt. Es gibt keine Band, die dieses Album beeinflusst hat. Meine Herangehensweise war wie in den Achtzigern. Damals gab es keine gute Musik. Deswegen fing man an, Alben zu schreiben, die man selbst gerne hören will.“
Der Gitarrist verrät, dass extreme Slash-Fans durchaus überrascht, aber nicht enttäuscht sein werden. „Es ist sehr rockig, und es gibt einige groß-artige harte Riffs. Doch das Album soll nicht nur Gitarrenliebhaber zufrieden stellen. Es gibt ein paar Balladen: ruhig und mehr in Richtung Blues. Es besitzt auch Bereiche, die man nicht erwarten würde. Es ist ein sehr kreatives Album. Mehr will ich noch nicht verraten.“
Henry Yates
THIN LIZZY
Thin Lizzy machen sich bereit für ihr erstes Album ohne Phil Lynott.
Laut Scott Gorham ist momentan die meist gestellte Frage der Fans: „Werden Thin Lizzy neue Songs schreiben?“ „Momentan ist das sehr wahrscheinlich“, verrät der Gitarrist. „Je mehr wir uns damit beschäftigen und je stabiler die Band wird… Nun, es wird Zeit.“
Gorham begleitete die Band in den vergangenen 26 Jahren seit dem Tod von Frontmann Phil Lynott durch zwei Aktivitätsperioden. Und er sagt, das Bandgefüge sei sehr gefestigt, seit Sänger Rick Warwick und Gitarrist Damon Johnson ein fester Bestandteil von Thin Lizzy sind. Doch Lynotts Legende wirft immer noch einen großen Schatten. Diese Wiedergeburt von Thin Lizzy muss vielen Erwartungen gerecht werden.
„Wir stehen unter immensem Druck. Doch es gibt so viel Talent in dieser Band. Deswegen wollen wir positiv an die Sache rangehen“, erklärt Gorham. „Ricky Warwick schreibt seine Texte in der Tradition irischer Sagen – wie es auch Phil tat. So gehen auch ich und Brian (Downey, Schlagzeug) an den Schreibprozess heran. Darren (Wharton, Key-boards) hingegen ist ein Meister der Melodien.“
Da die Band dieses Album selbst produziert, ist es für sie leichter, ein Album nach ihren Wünschen einzuspielen. Möglicherweise wird es Ende 2012 ein neues Album geben. Doch Gorham betont, dass es keinen festen Zeitrahmen gibt. „Wir werden uns nicht hetzen“, sagt er bestimmt.
Dave Ling
KISS
Was nicht kaputt ist, muss nicht repariert werden – und das Rad muss auch nicht neu erfunden werden. Das ist das Motto von MONSTER, dem neuen Album von Kiss.
Als Kiss mit den Arbeiten an MONSTER begannen, trug Paul Stanley einen großen Hut mit dem Aufdruck „Boss“. Natürlich ist das metaphorisch zu verstehen. „Ich hatte keine Lust, ein neues Album auf-zunehmen, wenn ich nicht das Zepter in die Hand nehmen durfte. Und niemand hatte auch nur ansatzweise etwas dagegen einzuwenden“, erklärt der Sänger und Gitarrist, der das Album in den Conway Studios in Hollywood auch co-produ-ziert. „Alle Bandmitglieder sind immer vor Ort, und wir schneiden die Songs, während wir uns in die Augen sehen können. Chemie und Freundschaft sind innerhalb einer Band ungemein wichtig. Das hat auch SONIC BOOM so großartig werden lassen. Und dieses Album ist noch verdammt viel besser.“
Hart aber fair. Und wenn man Stanley glauben schenken darf, dann ist der kreative Fluss, der die Band wieder erfasst hat, noch lange nicht am versiegen. Deswegen haben wir ihn gebeten, uns die Schlüsselstücke von MONSTER näher zu bringen. Auf geht’s, Mr. Starchild…
›It’s A Long Way Down‹
„In diesem Song geht es darum, dass diejenigen, die bestimmte Höhen erreichen, diese aber nicht verdienen, umso tiefer fallen. Der Weg von ganz oben ist sehr steil. Dieser Track ist sehr typisch für Kiss. Er ist sehr schnell und ein Schlüsselsong des Albums. Erics (Singer) Schlagzeugspiel ist einfach unglaublich.“
›Back To The Stone Age‹
„Das ist einer der Songs, die Gene singt. Und der Titel hält, was er verspricht. Ich stamme aus einer Schule, in der man eine Strophe, eine Bridge und einen Refrain schreibt und dann wieder von vorne anfängt. Das liegt in meinem Blut. So haben das Motown, die Beatles, Led Zeppelin und The Who schon gemacht – also alle meine Lieblingsbands.“
›Shout Mercy‹
„Ein großartiger Song. Es gibt viele Tracks, die als Opener des Albums dienen können. Und dieser hier ist einer davon. Für mich zeigt der erste Song eines Albums immer, was man von der ganzen CD zu erwarten hat, egal ob nun ›Love Gun‹ oder ›Detroit Rock City‹. Es ist wichtig, mit einem Song zu beginnen, der festlegt, was das Album ausmacht.“
›Out Of This World‹
„Das ist ein Song von Thommy (Thayer, Gitarrist). Er hat die Grenzen wirklich erweitert. Sein Spiel ist phänomenal. Es besitzt die Art von Aufregung, die ich hören will – und bei der man nie sicher sein kann, ob er völlig durchdrehen wird oder nicht. Das ist es, was tollen Rock’n’Roll ausmacht.“
›Wall Of Sound‹
„Wir wollen das Rad hier nicht neu erfinden. Wir sind am besten, wenn wir nicht zu viel nachdenken. Es ist kein Rubik’s Cube, sondern ein Song, ver-stehst du? Dieser Song ist absolut und wahrhaftig Kiss. Das merkst du sofort. Ich habe uns Scheu-klappen aufgesetzt, damit wir von den Dingen um uns herum nicht abgelenkt werden und der Bann gebrochen wird.“
Dom Lawson
THE GLASLIGHT ANTHEM
Lust auf rohen Rock’n’Roll im Jahr 2012? Dann sind The Gaslight Anthem genau die Richtigen.
Die Linie zwischen Worten, die im Eifer des Gefechts gesprochen werden, und den berühmten letzten Worten ist sehr dünn. Brian Fallon balanciert darauf wie auf einem Hochseil. „Es herrscht immer viel Panik bei uns. Vor allem darüber, ob ein Album gut genug ist“, schildert er die Entstehung des neuen Werks. „Doch wenn du das im Hinterkopf hast, kannst du eigentlich nichts vermasseln. Für die Songs, die wir geschrieben haben, brauchen wir weder Magie noch Tricks. Wir brauchen keinen Süßstoff, denn die neuen Songs sind verdammt gut und roh.“
Das Quartet befindet sich „tief“ in den Arbeiten zu ihrem vierten Album. Während bei ihren Vorgängern deutliche Einflüsse von Springsteen und Cash zu finden waren, befinden sich die neuen Stücke ganz im Hier und Jetzt. „Das Album klingt alles andere als alt. Und es dreht sich auch nicht um die Vergangenheit. Es besitzt mehr Energie als die beiden davor. “
Für Fallon wird es das fünfte Album in fünf Jahren. Diese Arbeitsethik ist heutzutage mehr als rar. „Ich habe darüber gelesen, wie Paul Mc- Cartney und John Lennon Songs geschrieben haben“, erzählt er. „Man kann nicht einfach nur dasitzen und die Bäume anstarren und darauf warten, dass man eine Idee hat. Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist.“
Henry Yates
JUDAS PRIEST
Judas Priest kehren zu ihren Wurzeln zurück. Sie drehen auf, anstatt ruhiger zu werden.
Die Harley ist eine perfekte Analogie für das, was wir zu tun versuchen“, sagt Rob Halford von Judas Priest über ihr kommendes neues Album. „Wenn dieses Biest erstmal auf die Bühne rollt, dann sieht es verdammt gut aus: Es stinkt, ist verdammt laut und geht den Leuten garantiert auf die Nerven.“
Die Arbeit am neuen Album begann schon im Januar letzten Jahres. Sie arbeiteten in Glenn Tiptons Heimstudio an neuem Material, bevor ihre „Epitaph Abschiedstour“ sie in bis zu diesem Frühjahr in Beschlag nimmt. Trotzdem hat Halford eine genaue Vorstellung davon, wie dieses Album aussehen soll. Zum Glück beinhaltet das auch die Abkehr vom verstümmelten Konzeptualismus von NOSTRADAMUS aus dem Jahr 2008. „Die Grundeinstellung war die Rückkehr zu unseren Wurzeln, diese dann zu zerreißen und ein brandneues klassisches britisches Heavy Metal-Album daraus zu machen“, erklärt er. „Es besitzt eine Prise BRITISH STEEL, ein bisschen Atmosphäre von PAINKILLER und einen Hauch STAINED CLASS…“ Und da sie zusammen mit Richie Faulkner, dem Ersatz für KK Downing, „auf Tour ein paar Ideen entwickelt haben“, vermutet Halford, dass sie sogar Material für zwei Alben in Petto haben.
Momentan kratzt die Band lediglich an der Oberfläche des neuen Albums. Halford sagt dazu: „Da gibt es zum Beispiel ›Metalliser‹, einen Song mit der für uns typischen Atmosphäre und Tempo. Wir haben auch einen tollen Song namens ›Keep The Faith‹, der auch sehr typisch für uns ist. Es gibt eine wunderschöne Ballade namens ›We’ll Never Forget‹ und einen Track namens ›To Hell And Back‹, der eine rauere Atmosphäre besitzt. Lyrisch ist das Album ein offenes Buch, aber wenn Glenn seine feurigen Riffs spielt, werde ich natürlich alle wichtigen Worte verwenden.“
All das klingt nicht nach einer Band, die vor ihrem Ende steht. „Wir haben diesen riesigen Weg des Metal hinter uns gelassen. Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Halford. „Doch wir glauben nicht, das damit alles vorbei ist. Es gibt immer einen weiteren Metal-Song, der geschrieben werden will. Es ist kein Ende in Sicht, so sehen wir die Sache. Wir fühlen uns lebendiger denn je.“
Henry Yates
BLACK SABBATH
Eine neue Tour, neue Songs und ein neues Album – außerdem haben sie aufgehört, sich zu zanken. Könnten Black Sabbath das Comeback des Jahres 2012 schaffen?
Der Zeitpunkt – 11:11 Uhr am 11.11.2011 – wäre allein schon ein verheißungsvoller Moment. Doch es ist auch der exakte Zeitpunkt, den Black Sabbath wählten, um das bestgehütetste Geheimnis der Rockwelt zu lüften: nämlich dass sie sich wieder vereinen und zusammen mit Rick Rubin ein neues Album aufnehmen werden. „Die Zeit war einfach reif “, sagt Ozzy Osbourne, während er neben seinen Bandkollegen und Rubin auf der Bühne des Whiskey A Go Go sitzt, dem legendären Club, in dem Black Sabbath vor 40 Jahren am gleichen Tag ihr US-Debüt gaben. „Entweder jetzt oder nie“, fügt Tony Iommi hinzu.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Urbesetzung zusammenfindet. Neu jedoch, dass sie ein brandneues Album einspielen wollen, das erste im Original-Sabbath-Line-up seit 34 Jahren. Das hatten sie auch schon während ihrer ersten Reunion 1998 versucht. Doch alles, was dabei herauskam, waren ein paar mittelmäßige Songs am Ende einer Live-CD. Müssen wir uns Sorgen machen? „Damals hat’s nicht geklappt“, so Ozzy. „Doch diesmal haben wir wie durch ein Wunder schon sieben, acht Songs geschrieben. Und sie sind gut. Das sage ich nicht einfach so. Ich bin wirklich überwältigt.“
Ihr Ass im Ärmel könnte Rick Rubin sein. Ein Mann, der sich darauf spezialisiert, Musiker einer bestimmten Ära zu helfen, ihre Kreativität wiederzufinden – man denke nur an Johnny Cash. „Wir befinden uns in der Mitte des Schreibprozesses, also können wir hoffentlich Anfang des Jahres mit den Aufnahmen anfangen“, sagt Rubin. „Ich stand in einem Raum mit ihnen, als sie spielten. Es klingt sehr nach Black Sabbath. Wenn sie so klingen, befinden wir uns auf dem richtigen Weg.“
Kevin Murphy
ZZ TOP
Sie haben Rick Rubin auf ihrer Seite. Und dennoch sollte man von ZZ Tops zwölftem, Astronauten-geprüften Album keine üblen Überraschungen erwarten.
Acht Jahre sind seit MESCALERO, dem letzten Album von ZZ Top, vergangen. Und das haarige Trio hat sich nicht zu Tode geschunden, um einen Nachfolger zu schreiben, sondern sich gemütlich zurück-gelehnt – typisch texanisch eben. „Du kannst es glauben oder nicht: Aber wenn man alle Tage zusammenzählt, an denen wir im Studio waren, dann kommen vermutlich ungefähr sechs Wochen zusammen“, erzählt Gitarrist und Sänger Billy Gibbons. „Das ist Zeit-kompression vom Feinsten.“
Die Band nahm in Studios in Malibu sowie ihrer Heimatstadt Houston auf. Superproduzent Rick Rubin war anfangs mit an Bord, doch mittlerweile produzieren die Musiker ihr neues Album selber. Rubin ist zwar immer noch beteiligt, agiert jedoch eher im Hintergrund. „Wir haben einige Jahre mit unserem Freund Rick in Kalifornien gearbeitet“, weicht Gibbons aus. „Wir stehen noch immer ständig in Kontakt. Schließlich sind wir schon mehr als 20 Jahre miteinander befreundet.“
Ist das Album fertig?
Momentan genießen wir den Luxus, noch mehr Zeit im Studio verbringen zu können. Das ermöglicht es uns, das, was wir schon aufgenommen haben, noch einmal überarbeiten zu können. Wer weiß, vielleicht fällt uns ja auch noch etwas Neues ein.
Gibt es schon einen Titel?
Mir schwirren einige der mexikanische Titel im Kopf herum. BURRITO DELUXE ist einer der Ti- tel, mit dem wir liebäugeln. Leider hat schon jemand verkündet, dass wir uns für diesen Titel entschieden hätten (von den Flying Burrito Brothers). Jetzt, wo sich das Material immer mehr entwickelt, denke ich jedoch, dass uns noch etwas Originelleres einfallen wird.
Du sagtest einmal, dass sich die neuen Songs zwischen TRES HOMBRES und ELIMINATOR bewegen. Wie treffend ist das?
Es ist sicher einfacher, dir zu erzählen, wie dieses Album nicht klingt (lacht). Wir müssen unsere Münder noch mehr trainieren, um eine Rap-Band zu sein. Also werden uns davon eher fernhalten.
Angeblich kehrt ihr zu euren Blues-Wurzeln zurück.
Einer meiner Lieblingstracks des neuen Albums ist an Willie Browns Song ›Future Blues‹ ange-lehnt. Wir haben jegliche Ähnlichkeit zum Traditionismus komplett über Bord geworfen. Das Einzige, was von unserer Ankündigung noch übrig ist, ist ein dürres Skelett an Worten – und selbst sie stimmen nicht mehr wirklich.
Da wir gerade beim Blues sind: ›Have A Little Mercy‹ – ein weiterer neuer Song von euch – klingt wie eine Hommage an BB King.
Ja, das steht außer Frage. Ich kann dir sogar eine Liste mit all den Bluesmusikern zusammenstellen, die dieses Album beeinflusst haben. Frank (Beard, Schlagzeug) und Dusty haben das aus erster Hand gelernt. Schließlich spielten sie schon mit Freddie King und Lightnin’ Hopkins.
Wollte Rick Rubin den Sound von ZZ Top verändern?
Nein. Und ich glaube, gerade deshalb funktioniert die Arbeit mit Rick. Das Erste, was er sagte, war: „Hey, ich möchte nichts an ZZ Top verändern, aber eventuell etwas in euch finden, das ihr bis jetzt übersehen habt.“
Habt ihr etwas gefunden?
Ja. Wir spielten meistens eine oder zwei Versionen eines Songs ein. Dann beschäftigte er sich ein paar Tage damit. Dann setzten wir uns zusammen. Er sagte dann: „Könnt ihr euch noch daran erinnern, was ihr vor zwei Tagen gespielt habt, wenn ich es euch nicht nochmal vorspiele?“ Das war immer sehr lustig, weil wir uns natürlich nie erinnern konnten. Und wenn wir das bisschen dann spielten, an das wir uns erinnern konnten, dann klang das immer anders. Oft waren die neuen Versionen sogar besser. Ich denke, man könnte das eine Art Evolutionsprozess nennen.
Euer Astronauten-Freund Michael Fossum hat euren neuen Song ›Flyin’ High‹ diesen Sommer mit auf die Internationale Weltraumstation ISS mitgenommen.
Ja, sie steckten ihn in ’ne Rakete – und weg war er.
Rob Hughes
THE DARKNESS
Das sagt Justin Hawkins über das neue Album von The Darkness. Entspannt euch – er scherzt nur. Zumindest denken wir das.
Ihr glorreicher Aufstieg war spektakulär – ihr Fall aber auch. The Darkness nahmen uns mit auf eine verwirrende Achterbahnfahrt. Ihre Wiedervereinigung zählte zu den am freudigsten aufgenommenen Ereignissen des letzten Jahres. Am wichtigsten ist nun natürlich, was als nächstes passiert. Daher sind alle Augen auf das auffällige Quartett gerichtet, das gerade ihre lang erwartetes drittes Album fertigstellt.
„Einige Leute werden möglicherweise auch ein beschissenes Album tolerieren, aber zu denen zählen wir nicht“, sagt Frontmann Justin Hawkins. „Wir haben es Anfang 2011 aufgenommen. Einige Dinge gefielen uns sehr, andere wiederum nicht. Wir wollen, dass dieses Album wie unser erstes ist, als alles noch fantastisch war. Es fehlen nur noch ein oder zwei Songs, bevor das Album fertig ist.“
Es ist sicher klug, sich mehr am natürlichen Rock ihres Debüts PERMISSION TO LAND zu orientieren als an dessen Nachfolger. Die Band möchte die Dinge dieses Mal einfacher halten. „Dieses Album ist definitiv roher als alles, was wir vorher gemacht haben“, sagt er. „Einige Songs sind sehr vielschichtig, aber wir übertreiben es nicht – außer das ist die Idee hinter dem Song.“
Nachdem The Darkness eine erfolgreiche UK-Tour hinter sich gebracht und allen bewiesen haben, dass sie sich wieder verstehen, scheint sich der Zynismus zu verflüchtigen, der nach der Verkündung der Reunion herrschte. „Nun, dieses Glücksgefühl nach der Reunion lässt langsam nach“, lacht Justin. „Jetzt gibt es nur noch Hass und Verbitterung. Es gab viele Hänseleien. Doch wenn es ums neue Album geht, wollen wir alle dasselbe. Wir werden uns anstrengen, bis wir vollkommen damit zufrieden sind – das ist unsere Deadline.“
Henry Yates