Spätestens seit ›Beds Are Burning‹ kennt sie die ganze Welt: Midnight Oil. Noch bis zum 13. Juli spielen die australischen Rockgrößen mehrere Konzerte in Deutschland. Hier erzählt uns Gründungsmitglied, Gitarrist und Keyboarder Jim Moginie von seinen Lieblingsalben.
Aufgezeichnet von: David Numberger
Skyhooks
LIVING IN THE 70’S
1974
Zum ersten Mal habe ich dieses Album gehört, als es von Melbourne aus ins Radio stürmte. Mit seinen cleanen und einfallsreichen Gitarren, den bissigen Songs und der reduzierten und einfachen Produktion von Ross Wilson von Daddy Cool, thematisiert es Ortsnamen ebenso wie sexuelle Freiheit und australische Apathie. Es war ein echter Weckruf und insofern sehr einflussreich, als es australischen Bands wie uns zeigte, dass es OK ist, über unsere Heimat zu singen. Stolz auf unser Land zu sein. Für seine Zeit war es so originell, dass es unmöglich war, die Hooks mit denen von irgendjemand anderem zu verwechseln. Eine kulturelle Ikone Australiens, die eigentlich viel mehr gefeiert werden sollte.
Rhys Chatham
A CRIMSON GRAIL
2007
Diese großartige Platte wurde mit 400 E-Gitarre-Spielern live aufgenommen. Ein Meisterwerk des Minimalismus und der musikalischen Struktur. Ich würde es auf gewisse Weise als moderne klassische Musik bezeichnen, aber seine Wurzeln hat es in der New Yorker Postpunk- und No-Wave-Szene, sowie beim kürzlich verstorbenen Glenn Branca, den ich auch liebe. Eine Einsame-Insel-Platte, die verträumt ist und doch die Power der elektrischen Gitarren nutzt, was von einem Flüstern bis zu einer totalen Shitstorm-Kakofonie reicht. Sie macht mich weniger zynisch, dafür aber romantischer, folglich muss es eine gute Platte sein. Perfekt ausgeglichen, und, das sage ich, weil es einfach wahr ist, himmlisch.
Olympia
SELF TALK
2016
Kam für mich 2016 wie aus heiterem Himmel. Ein Freund aus der Musikindustrie gab mir die Platte zusammen mit einer Wagenladung anderer Alben, aber diese ragte sofort heraus. SELF TALK ist selbstbewusst, australisch, experimentell und abwechslungsreich, und es findet sich nicht ein schlechter Track darauf. ›Smoke Signals‹ ist eine großartige Single, psychedelische und geistreichste Popmusik. Wir nutzten es als Intro bei unserer „Great Circle World Tour“ 2017, es war für mich, was ›Itchycoo Park‹ 1966 war. Olympia ist auch live sensationell, als Kopf eines Trios, in dem sie Gitarre spielt und singt. Es fehlt wirklich nichts, es ist alles da, was es braucht.
Harry Nilsson
KNNILLSSONN
1977
Die meisten würden ein Beatles-Album in ihre Auswahl nehmen, ich entscheide mich ehrenhalber für den fünften Beatle, Harry Nilsson, den John Lennon seinen Lieblingskünstler nannte. Hier fiele für viele die Wahl wohl auf dessen Album NILSSON SCHMILSSON, das natürlich auch großartig ist. Alles, was Nilsson sang, selbst als seine Stimme im Alter schwächer wurde, ist für mich Gold. Auf KNNILLSSONN kehrte seine Stimme noch mal zurück, er eröffnet mit einer Ballade, die Sinatra würdig gewesen wäre. Er hatte immer die besten Musiker von L.A. und London, dazu seinen Enthusiasmus, die verspielten Bachground-Vocals, seinen Sinn für Klangfarben, die wilden Arrangements und diesen einmaligen Gesang. Ein Traum.
The Gloaming
THE GLOAMING
2014
Immer einen Fuß in der Vergangenheit, hauchen sie der traditionellen irischen Musik und Literatur neues Leben ein. The Gloaming klingen modern und natürlich, und dabei nutzen sie ausschließlich akustische Instrumente. Es gibt in Irland so viele erstaunliche Komponisten und Performer, man braucht nur ›Galileo‹ von Declan O‘Rourke oder Damien Dempseys ›Colony‹ hören. Martin und Dennis habe ich erstmals 2011 gesehen und bin seitdem süchtig nach ihnen. Sie machen Musik, zu der man weinen, tanzen und lachen kann. Sie lassen dich mit ihrem Sinn für Dynamik, ihren Arrangements und der Schönheit und Menschlichkeit der Songs zu einem Derwisch mutieren. Eine Mixtur zum verlieben.