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Noel Gallagher – Solo Wider Willen

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Noel Gallagher – Solo Wider Willen

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Zwei Jahre nach der Trennung von Oasis meldet sich auch Noel Gallagher mit einem neuen Album zurück – und macht darauf alles anders (und vieles besser) als Bruder Liam mit Beady Eye und deren Debütalbum DIFFERENT GEAR, STILL SPEEDING. Was zwar nicht wirklich schwierig ist, aber einmal mehr mit einer herrlich grotesken Interview-Situation einhergeht…

Noel Gallagher - Photo 1 - Lawrence Watson - HRDas Theater beginnt damit, dass Noel – wie Liam – seine Pressetermine in der „Mirror Bar“ des mondänen Londoner Landmark Hotels abhält. Ein elitäres Etablissement mit schweren Ledersesseln, Kristallkronleuchtern und befracktem Personal, das den 44-Jährigen wie einen Rockgott hofiert, mit literweise Cappuccino versorgt und die viel zitierten Working Class-Wurzeln des Mannes aus Manchester komplett ad absurdum führt. Dabei tut er ansonsten alles, um möglichst bodenständig, bescheiden und normal zu wirken.

So trägt er ein unauffälliges Outfit aus Jeans, Hemd und Lederjacke, hat nach wie vor die buschigsten Augenbrauen seit Theo Waigel und glänzt mit einer geradezu verblüffenden Offenheit, was seine aktuelle Solo-Karriere betrifft: „Mir wäre es weitaus lieber, wenn wir hier über das neue Oasis-Album reden würden. Ich war gerne Teil der Band und habe es definitiv genossen, in großen Hallen und Stadien aufzutreten. Das hätte meinetwegen auch ruhig so weitergehen können. Es wäre besser gewesen, als jetzt noch einmal komplett von vorne anzufangen – das ist in meinem Alter gar nicht so einfach. Ich bin ja schließlich keine 24 mehr, sondern ich bin ein Traditionalist, ziemlich festgefahren in meinem Denken und zudem ein fauler, alter Sack.“

Was er ganz trocken auf den Punkt bringt. Genau wie sein zwischenzeitliches Gedankenspiel, vielleicht doch in den Rock-Vorruhestand zu treten. Was er sich angesichts eines geschätzten Privatvermögens von 30 Millionen britischen Pfund sowie Immobilien auf Ibiza und im Londoner Stadtteil Maida Vale durchaus leisten könnte. „Natürlich habe ich darüber nachgedacht“, setzt er an. „Das Problem ist nur: Ich bin nicht in der Lage, einfach nichts tun. Das schaffe ich nicht. Stattdessen schreibe ich ständig Songs. In den vergangenen elf Jahren, also seit ich nicht mehr der alleinige Songwriter von Oasis bin, haben sich da eben 60 Stücke angehäuft. Und ich habe nicht vor, sie in der Ecke liegen zu lassen, weil einige davon verfickt gut sind. Klar, ich hätte sie auch Robbie Williams verkaufen können, was mir bestimmt eine Menge Kohle beschert hätte. Aber es macht mir auch Spaß, selbst zu singen und vor Publikum aufzutreten. Für die Renten-Kiste bin ich noch nicht bereit.“

Was auch die zehn Stücke seines Debüts unterstreichen. Da präsentiert sich der dreifache Familienvater als gereifter Songwriter, der weitaus mutiger und arrivierter als Liam & Co. ist, und sei es nur, weil er über den Tellerrand der Beatles, Stones und Who hinausblickt – und vielleicht sogar das beste Oasis-Album seit den Mittneunzigern vorlegt. Eben ein Werk, das auf große Melodien, großen Sound und durchdachte Arrangements setzt, mit Streichern, Chören und Bläsern aufwartet, stilistisch zwischen Siebziger-Pop, New Orleans-Jazz und Bombast-Rock pendelt, nicht einmal vor Klangspielereien auf der singenden Säge oder dem elektrischen Wasserkocher zurückschreckt bzw. seinen Namen den LSD-Hippies von Jefferson Airplane verdankt. „Ich war zu Hause und hatte eine alte Platte von Peter Green’s Fleetwood Mac gehört. Als ich mir das Cover anschaute, dachte ich: ‚Wow, wie cool wäre es, das Ganze Noel Gallaghers was-auch-immer zu nennen?‘

Also habe ich meine Sammlung durchwühlt und bin auf HIGH FLYING BIRD von Jefferson Airplane gestoßen – was mir so gut gefiel, dass ich daraus Noel Gallagher’s High Flying Birds gemacht habe. Einfach, weil es gut aussieht, gut klingt und alle Leute meinen, das wäre eine verdammt coole Idee – vielleicht sogar die beste, die ich je hatte. Denn ich erfinde mich hier neu, ohne mich wirklich neu zu erfinden. Sprich: Ich schmiere mir kein Make-up ins Gesicht und trage keine künstlichen Pupillen – ich bin immer noch ich selbst. Nur mit einer anderen Begleitband. Eine, die viel besser ist als früher.“

Womit er sich zum ersten Seitenhieb auf seinen Bruder hinreißen lässt. Dem im Verlauf des 30-minütigen Interviews noch etliche folgen. Er bezeichnet Liam als eine Hohlbirne, die in Sachen Gesang absolut unflexibel sei, ihr Ego kein bisschen unter Kontrolle habe und die Klappe permanent zu weit aufreiße, selbst wenn er nach dem kommerziellen Fiasko von DIFFERENT GEAR, STILL SPEEDING viel kleinere Brötchen backen sollte. „Die Singles von Beady Eye haben gerade mal Platz 30 und 71 der UK-Charts erreicht – schlechter geht’s kaum. Und das zeigt, dass die Leute die Nase voll haben, und zwar sowohl von diesem Sound als auch von diesem idiotischen Gewäsch der Marke ‚Ich bin der Größte und Tollste‘. Sie wollen starke Songs – und nicht nur starke Sprüche.“

Die Liam übrigens gerade wieder verstärkt in Richtung Noel abfeuert. Mit dem Tenor, dass es sich bei dessen Solo-Debüt um eine reine Resteverwertung alter Oasis-Songs handle. Was letztlich gerade mal auf einen Song, nämlich ›Stop The Clocks‹, zutrifft, ansonsten aber allein dadurch entkräftet wird, dass es sich auch bei Beady Eyes ›The Roller‹ um einen Outtake aus den frühen 2000ern handelt. „Ich habe auf mehreren Demoversionen des Stücks Klavier gespielt und Backing-Vocals gesungen. Aber es war eben nie gut genug für Oasis – und im Nachhinein muss man sagen: Es war wohl auch nicht gut genug für Beady Eye. Doch dieser Idiot meint immer noch, es wäre noch 1995. Nein, Mann, die Zeiten sind vorbei, und das muss auch er sich endlich eingestehen.“

So wie Noel, dessen Ziele mit den High Flying Birds deutlich niedriger gesteckt sind als Weltherrschaft und Massenhysterie: „Ich denke nicht, dass ich an Oasis anknüpfen kann, und das will ich auch gar nicht. Ich habe den Moment damals genossen, aber ich muss all den Irrsinn, der damit einhergeht, nicht noch einmal haben. Es reicht schon, wenn ich damit ein bisschen erfolgreicher bin als Cliff Richard“, spricht’s und schlürft seinen dritten Cappuccino.

Und wenn das nicht klappt und sein Alleingang auf taube Ohren und weitreichende Ablehnung stößt? „Wenn es ein kolossaler Flop wird, trete ich einer anderen Band bei. Also irgendeiner großen, z.B. Primal Scream, Kasabian, Coldplay oder U2. Die brauchen ja dringend einen vernünftigen Gitarristen.“ Wie steht’s mit einer Oasis-Reunion? „Es ist Liam, der nicht mehr will. Ich würde sofort weitermachen – sofern er sich vernünftig entschuldigt. Wenn du mich fragst: Er braucht dringend mal eine Abreibung.“

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