Düster, dezent depressiv und kathartisch – das dürften die gängigsten Eigenschaften sein, mit denen man das bisherige Werk von Evanescence beschreiben kann. Alles andere als spaßig also. Doch genau das haben Amy Lee die Arbeiten am dritten Album (das in wenigen Tagen erscheint) gemacht: Spaß. „Das ist eine vollkommen neue Erfahrung für uns“, pflichtet die Bandchefin bei. „Immer, wenn ich mir unsere alte Musik anhöre, erinnere ich mich daran, wo ich zu dieser Zeit in meinem Leben stand. Bis hierhin war es eine lange, manchmal harte Reise. Diesmal geht‘s uns darum, alles weniger ernst zu nehmen.“
Evanescence, das war eigentlich immer eine Gruppe im ständigen Umbruch: Auf einer Europatour im Jahr 2003 wurde Gründungsmitglied Ben Moody geschasst, 2007 erwischte es Drummer Rocky Gray und Gitarrist John LeComp. Folglich hielten sich hartnäckig Gerüchte, Amy Lee führe ein (vielleicht zu) straffes Regiment. Derzeit herrscht aber ein harmonisches Klima bei den Emo-Rockern. „Ich habe mich noch nie so unterstützt von meinen Bandmitgliedern gefühlt“, erzählt Lee. „Wir haben uns wirklich aufeinander verlassen. Dass jeder von Grund auf an einem Album partizipiert hat, ist eine komplett neue Erfahrung für uns. Wir sind viel mehr eine richtige Band als jemals zuvor.“
Um dahin zu kommen, mussten Evanescence erst einen Produzenten verschleißen: Im Frühling 2010 enterte das Quintett mit Starproduzent Steve Lillywhite (u.a. U2, Peter Gabriel, Morrissey) das Studio. Das Ziel: eine etwas elektronischere Richtung einzuschlagen. „Aber es fügte sich nicht ineinander, Steve passte nicht. Wir experimentierten herum, ich hatte einige Songs in dieser Richtung geschrieben – doch wir konnten diese zwei Welten nicht vereinen.“
Nach Abbruch der Sessions stand die Zukunft von Evanescence eine Zeit lang sogar auf Messers Schneide, wie Lee gesteht: „Ich wusste nicht, ob wir überhaupt noch ein Album machen würden.“ Dann jedoch raufte sich die Truppe zusammen. Gitarrist Terry Balsamo, Bassist Tim Mc-Cord, Drummer Will Hunt und Elektroniker Will Hunt (die tragen wirklich beide ein und denselben Namen) zogen bei Amy ein, und gemeinsam schliff man am Material. Mit Rockproduzent Nick Raskulinecz (Foo Fighters) gelang dann vollends die Kehrtwende: „Wir lieben es, mit ihm zu arbeiten. Es macht so viel Spaß mit Nick.“