In aller Härte vorgetragen, profund therapeutisch
Müsste man in nur zwei Worten zusammenfassen, was für einen Eindruck 72 SEASONS beim ersten Hören (und es gab vor Albumveröffentlichung tatsächlich nur einen Hördurchgang, in unserem Fall im Büro der Plattenfirma in London) hinterlassen hat, dann wäre das gar nicht mal so besonders schwierig. Keine Ballade! Wirklich, keine einzige. Nicht einmal ansatzweise oder in Gestalt einer Halbballade, die zum Beispiel sanft anfängt und dann brachial endet (oder umgekehrt). Nein, 72 SEASONS bedeutet: zwölf harte, schnelle Songs, mächtig ausgewalzt auf erneut knapp achtzig Minuten Spielzeit. Es ist ohne jeden Zweifel und ohne Abstriche ein Heavy-Metal-Album. Es kommt ohne Schnickschnack und Verblüffendes aus, allerdings heißt das auch: Wer sich Überraschungen erhofft oder erwartet, für die oder für den gibt es auf 72 SEASONS diesbezüglich kaum Befriedigung. Vom Gesamtklangbild her knüpft die erneut von Greg Fidelman produzierte Platte an die Vorgänger HARDWIRED … TO SELF-DESTRUCT (2016) und DEATH MAGNETIC (2008) an.
Auffälligster Unterschied speziell zum letzten Album: Kirk Hammett, der bei HARDWIRED sein Handy mit allen Songideen verbaselt hatte, bekommt nun wieder deutlich mehr Spielzeit, einige seiner Gitarrenriffs sind echte Kirk-Oberklasse. Man nehme nur seinen Beitrag zu ›If Darkness Had A Son‹, der stärksten der drei vorab veröffentlichten Singles – einer der unbestrittenen Albumhöhepunkte überhaupt. Auch Lars hat natürlich seine großen Momente. Auf ›You Must Burn!‹ trommelt er, als hinge sein Leben davon ab, auch ›Crown Of Barbed Wire‹ knallt hochenergetisch und mit aller Dynamik. Erfreulich bissig und räudig klingt auch ›Too Far Gone?‹, während ›Chasing Light‹ bei aller bereits angesprochenen Balladenlosigkeit einem introspektiven Stück am nächsten kommt. Vor allem hier berichtet James Hetfield von seinen problematischen bis traumatischen Kindheits- und Jugenderfahrungen, die der Platte ja gewissermaßen als konzeptionelles Gerüst dienen („72 Seasons“ sind die jeweils vier Jahreszeiten der ersten achtzehn Lebensjahre).
8 von 10 Punkten
Metallica
72 SEASONS
UNIVERSAL
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Am 14. April erscheint mit 72 SEASONS nun das elfte Studioalbum dieser außergewöhnlichen Band. Grund genug, ihre beeindruckende Karriere mit zahlreichen Höhen und Tiefen ausführlich zu beleuchten. Auf 148 Seiten blickt CLASSIC ROCK detailliert auf die letzten 40 Jahre zurück, reist von den Anfängen der ehrgeizigen Jungmusiker bis zu ihren aktuellen Erfolgen. Alle Schaffensperioden werden betrachtet. Zeitzeugen und Wegbegleiter kommen ebenso zu Wort wie alle aktuellen und ehemaligen Bandmitglieder. Dabei sprechen sie schonungslos über Ängste, Zwänge, Dämonen, kreative und persönliche Krisen und interne Konflikte. Zusätzlich gibt es einen ausführlichen Nachruf auf den Ausnahmebassisten Cliff Burton, die Entstehungsgeschichte des Thrash Metal, bombastische Tourstories und alles Wissenswerte zur neuen Platte 72 SEASONS