Es gibt schon Glückspilze auf dieser Welt. Einer davon heißt Lukas Nelson, ist Sohn von Willie Nelson, Mitstreiter von Neil Young und lebt auf Hawaii. Wir trafen den Bandleader von Lukas Nelson & Promise Of The Real anlässlich des neuen Albums A FEW STARS APART zum Zoom-Meeting.
Du siehst entspannt aus. Täuscht der Eindruck?
Nein, ganz und gar nicht. Die Dinge entwickeln sich alle sehr, sehr gut. So wie es aussieht, können wir auch bald wieder auf Tour gehen, zudem durfte ich gestern einen tollen Abend mit Freunden erleben. Ehrlich gesagt, fühle ich mich gerade wie der glücklichste Mann der Welt.
Klingt gut! Wie wichtig war während Corona Musik für dich?
Sehr wichtig. Ich habe jeden Tag an Songs gearbeitet, das hat mich aufrecht gehalten und dafür gesorgt, dass ich bei Verstand bleibe. Musik war wirklich alles für mich! Sie war mein persönlicher Rückzugsort während der Pandemie. Nachdem man ja nicht auf Tour gehen konnte und es auch sonst nur wenige
Möglichkeiten gab, habe ich mir gedacht: Okay, dann schreibe ich reihenweise Songs.
Das ist nur zu verständlich. Wie viele Songs hast du während der Zeit geschrieben?
Ziemlich genau 22. Wir sind das Material bandintern durchgegangen und haben uns die
elf Songs, die wir für die besten hielten, für das neue Album A FEW STARS APART ausgesucht. Es fühlt sich gut an, wir denken, dass wir eine richtig gute Platte aufgenommen haben.
Wenn ich mir deine neuen Songs anhöre, habe ich das Gefühl, dass eure Musik heute etwas einfacher klingt. Auf euren früheren Alben waren ja immer wieder Songs zu hören, die vollgepackt mit musikalischen Einfällen waren. Jetzt höre ich solides, klassisches Songwriting. Stimmst du mir zu?
Danke, das höre ich gerne! Und ich stimme dir auch voll und ganz zu. Ja, es stimmt, ich fühle mich mittlerweile sehr von der Einfachheit angezogen – was übrigens schwerer ist, als es klingt. Es ist sogar eine echte Herausforderung, es simpel zu halten. Das ist sogar noch anspruchsvoller, als einen komplizierten Track zu schreiben. Ich weiß, das klingt paradox, doch es ist so. Es ist wie bei einer Kurzgeschichte, in der man mit wenig Worten viel ausdrücken soll. Für A FEW STARS APART wollte ich einfache und hoffentlich auch nachvollziehbare Songs schreiben.
Ich denke, das ist dir gelungen. Schon der Opener ›Empire‹ erinnert mich in seiner Schlichtheit an einen Song von deinem Dad …
Ich stimme wieder zu. Den Track habe ich tatsächlich im traditionellen Country-Stil geschrieben, Drei-Viertel-Takt inklusive. Es könnte ein Willie-Song sein, stimmt schon. Das hat aber wohl auch damit zu tun, dass wir mit Produzent Dave Cobb im RCA Studio A aufgenommen haben. In dem Studio war mein Vater übrigens, als er genauso alt war wie ich es jetzt bin. Der Kreis schließt sich.
Es heißt, dass dieser ehrwürdige Recording-Tempel eine besondere Aura hat. Hast du gespürt, dass in dem Studio Musikgeschichte geschrieben wurde?
Oh ja, unbedingt! Hey, in dem Studio hat Elvis aufgenommen! Und natürlich so viele andere – Dolly Parton, B.B. King, Loretta Lynn, The Monkees, Waylon Jennings und so weiter. Man kann sich dieser Atmosphäre definitiv nicht entziehen, sie inspiriert einen. Dazu kommt, dass Dave Cobb, der ja Hausproduzent in dem Studio ist, ein extrem cooler Typ ist. Er weiß, wie diese Musik klingen muss.
Ihr habt A FEW STARS APART im Retro-Verfahren aufgenommen: Acht-Spur analog. Das erscheint mir mutig zu sein, vermutlich ist es auch komplizierter …
Och, komplizierter … Für die Techniker mag das stimmen. Aber für uns Musiker war es eigentlich einfacher. Andererseits fordert es einen schon mehr: Da wir uns somit nicht so sehr auf die technischen Möglichkeiten verlassen konnten, spielten unsere musikalischen Fähigkeiten eine größere Rolle. Klar, wenn man einen Fehler macht, lässt sich der analog nicht mal auf die Schnelle beheben, wie das beim digitalen Recording machbar ist. Zum Glück aber machen wir nicht sehr viele Fehler. Außerdem haben wir die elf Songs vorher richtig intensiv geprobt.
Was ist für dich die größte Herausforderung beim Songwriting?
Dass man nicht zu viel darüber nachdenkt und analysiert. Aber ich liebe es! Ich mag es auch, für andere Leute Songs zu schreiben – um mit Menschen in Beziehung zu treten. Ich habe es oft erlebt, wie Menschen auf Songs reagieren, wie die Musik sie aus der Dunkelheit holen und den Schmerz lindern kann. Ein guter Song macht unglücklichen Menschen klar, dass sie nicht alleine sind, dass es vielen Menschen genauso geht wie ihnen – das kann viel bewirken. Für mich steht fest, dass Musik eine Medizin ist. Deshalb spüre ich immer auch eine Verantwortung, wenn ich Songs schreibe.
Wenn ich dich so reden höre, habe ich den Eindruck, dass du dich beim Songwriting mehr auf den Text als auf die Musik konzentrierst – dass dir die Botschaft wichtiger als die Melodie ist …
Nein, so sehe ich das nicht. Die Melodie ist für mich genauso wichtig wie der Text. Aber klar, die Lyrics müssen schon sehr gut sein, da mache ich keine Abstriche. Aber ohne gute Melodie kommen keine Emotionen auf. Ein guter Song muss also beides mitbringen: einen guten Text und eine gute Melodie.
Du bist der Sohn von Willie Nelson und mit deiner Band arbeitest du seit Jahren mit Neil Young zusammen – was hast du von diesen Musiklegenden gelernt oder übernommen?
Beide sind auf ihre Art unbekümmert. Und es geht ihnen viel weniger um Popularität als um die Qualität ihrer Musik und um ihre Integrität. Das bewundere ich an den beiden und das habe ich vermutlich auch von ihnen übernommen.
Seit 2015 machen Lukas Nelson & Promise Of The Real die Backing-Band für Neil Young. Wie war das anfangs – solltet ihr wie seine langgedienten Begleiter von Crazy Horse klingen?
Nein, ganz und gar nicht. Neil wollte, dass wir wie wir selbst klingen und dass wir seine Musik mit unserer Energie und unserem Feeling interpretieren. Genau das wollte er von uns – und dafür bin ich ihm zutiefst dankbar.
Seit eurem Mitwirken bei „A Star Is Born“ seid ihr richtig hip. Habt ihr da überhaupt noch die Zeit, die Backing-Band für Neil Young zu geben?
Sicher, absolut! Mit Neil Young zusammenzuarbeiten ist ein großes Geschenk. Er ist schließlich einer der größten Künstler der Welt und dazu einer der besten und erstaunlichsten Songwriter aller Zeiten. Klar, ich bin da vielleicht ein bisschen voreingenommen – und ich sage das auch über meinen Vater. Aber so sehe ich das nun mal. Dass ich das Glück habe, diesen Jungs nahe zu sein, hat mich unglaublich inspiriert. Mehr, als Worte das ausdrücken können.