BIFFY CLYRO
Große Freiheit, Hamburg
Schottlands Rockmagier überwältigen
Endlich: Mit Album Nummer sechs, dem wundervollen OPPOSITES, wird den Rockhymnenschmieden Biffy Clyro nun auch hierzulande jene Anerkennung zuteil, die ihrer fantastischen Musik gebührt: Ihr Gig in der Großen Freiheit zu Hamburg ist, wie auch der Rest der Tour, restlos ausverkauft. Vor ziemlich genau fünf Jahren haben die Schotten an gleicher Stelle noch Queens Of The Stone Age supportet, nun sind sie selbst die Attraktion des Abends – und das völlig zu Recht.
Zunächst eröffnen Blood Command den Reigen, deren Sängerin Silje nach dem Gig blaue Beine haben dürfte, so eng sitzt ihre Hose. Die Band wirkt lustlos und genervt, man hat sich wohl einen Titel des aktuellen Albums zu sehr zu Herzen genommen: ›Pissed Off And Slightly Offended!‹
Zwar erweisen sich Biffy Clyro auch nicht gerade als Ansagen-Spaßgranaten, doch ihnen merkt man bei jeder Note und Bewegung an, dass sie ihre Musik mit hundertprozentiger Leidenschaft leben. Mit dem verträumten OPPOSITES-Intro ›Different People‹ eröffnet das um die üblichen Tourmusikanten erweiterte Trio das 23 Tracks starke Set – und lässt den Saal schon beim darauffolgenden ›That Golden Rule‹ explodieren. Ein emotionaler Zustand, der über die nächsten 90 Minuten anhält: Mal grölen die 1500 Fans textsicher jede Zeile mit, mal geben sie sich hemmungslos pogend den Staccato-Salven älterer Biffy-Songs hin. Und nach dem finalen ›Mountains‹ ist Sänger Simon Neills Hose so durchnässt, als hätte er ein Inkontinenzproblem. Aber keine Sorge, es ist nur Schweiß, ein Kollateralschaden maximaler musikalischer Leidenschaft. Ben Foitzik
BRAD
Strøm, München
Kult im kleinen Kreis. Brad kommen endlich nach Europa.
Wer hätte es noch zu hoffen gewagt? Mehr als 20 Jahre nach ihrer Gründung verirren sich Brad, diese kultisch verehrte Seattle-Supergroup, doch tatsächlich zum ersten Mal nach Europa. Und unfassbarerweise erscheint ein gerade mal so dreistelliges Publikum zu diesem einmaligen Ereignis im Strøm. Noch unfassbarer ist, dass dann auch noch ein beträchtlicher Teil dieser Schar mit respektlos lautem Geplapper sein Bestes tut, um die andachtsartige Stimmung bei jedem langsameren Stück zu stören.
Von den Ablenkungen solch Unwürdiger mal abgesehen, bieten die fünf Herren auf der Bühne aber eine Show, die man so schnell nicht vergessen wird. Und das nicht mal nur der Musik wegen: Frontmann Shawn Smith ist als einzigartig proportionierte Mischung aus Heilsbringer, Hippie-Alien und Mafia-Don ein echter Blickfang, Zweitgitarrist Happy Chichester macht seinem Namen alle Ehre und hat ganz offensichtlich das Geheimnis der dauerorgasmischen Daseinsebene geknackt, während Stone Gossard, eigentlich ja die große Berühmtheit im Line-up, sich bis auf eine Darbietung seines belanglosen Solostücks ›Bayleaf‹ im Hintergrund hält – sofern das auf einer kaum handtuchgroßen Bühne möglich ist.
Andererseits hätte wohl selbst Lady Gaga ihre Schwierigkeiten, hier die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, denn Smith ist ein souveräner Zeremonienmeister, dessen Charisma völlig mühelos den Raum regiert. Sympathisch schüchtern tritt er auf die Bühne, seine einzigartige Stimme sorgt umgehend für Seelentrost, doch wenn er dann mal in Fahrt kommt, ist man immer wieder erstaunt, dass dieser Knuddelbär so in Wallung geraten kann.
Einer ersten Tour gebührend, liefern Brad einen ausgewogenen Querschnitt ihrer bisherigen Alben ab, gespickt mit ein paar Coverversionen, wobei man gerne noch mehr von ihrem sträflich übergangenem Meisterwerk UNITED WE STAND von 2012 gehört hätte. Bemängeln könnte man höchstens, dass aufkommendes Temperament bisweilen zu schnell mit Balladeskem abgewürgt wurde, doch letztlich verlässt man den Saal und weiß: Brad dürfen auf keinen Fall noch mal 20 Jahre bis zum nächsten Mal verstreichen lassen. Groß!