Kleiner und sicher feiner
Es ist der 13. November. Am heutigen Abend feiern die Elvis-Metaller Volbeat ihren großen Triumph in der Münchner Olympiahalle. So scheint es beinahe, als müssten Cormac Neeson und seine Kumpanen heute auf einige bayerische Rockinteressierte verzichten, da diese dem mittlerweile beinahe unangenehmen Hype um die dänischen Neu-Superstars gefolgt sind. So ist das ohnehin gemütliche Strøm auch nicht ganz gefüllt, nun da The Answer mit ihrem neuen, durchaus gefeierten Album NEW HORIZON im Gepäck hier gastieren. Bevor es aber für die Gastgeber soweit ist, das gemischte Publikum, das vom unscheinbaren Musikfan über junge Rockergören bis zum bekutteten AC/DC-Mittvierziger/fünfziger rangiert, zu beschallen (dazu später mehr), sind es Tracer aus Australien, die die Bühne anwärmen dürfen. Die drei Riff-Rocker sind bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr hierzulande zu Gast. Mit einer Portion mehr Freude und Jam-Bereitschaft bieten Tracer eine perfekte Einführung in dieses aufrichtige Rock’n’Roll-Konzert. The Answer eröffnen schon gleich mit ›New Horizon‹, dem Titel-Song ihres neuen Werkes.
Damit folgen sie ihren Vorbildern und Förderern AC/DC, welche sie bereits auf Tour begleiten durften. Ansonsten haben sie und besonders die Setlist nicht viel mit Angus und Co. zu tun. In einer wirklich selten hohen Lautstärke (zumindest in den ersten Reihen) zeigen The Answer nämlich all ihren Stolz über das neue Material. Beinahe die Hälfte der 13 Stücke stammen von NEW HORIZON. Die Performance der vier ist nahezu perfekt. Ganz im Vordergrund steht dabei stets Neeson, der neben einer selten klaren und doch souligen Rockstimme als einziger in seiner Band die Ausstrahlung eines Rockstars besitzt. Die anderen wirken eher wie Schuljungs, allerdings höchst sympathische Schuljungs. Beendet wird diese begeisternde Show dann mit einem angemessenen Answer-Klassiker: dem gospelig preisenden ›Preachin’‹.
Paul Schmitz
Mustasch
Berlin, Lido
Na dann mal Prost!
Noch während des Interviews mit CLASSIC ROCK, kurz vor dem Gig, hatte Ralf Gyllenhammer vollmundig verkündet: „Ich trinke keinen Schnaps mehr auf Tour.“ Der gute Vorsatz des Frontmanns hält nicht lange. Es beginnt damit, dass Fans aus der ersten Reihe ihm volle Biergläser hinhalten. Irgendwann im Laufe des Konzerts steigt Gyllenhammer von der Bühne herab und marschiert an den Tresen. Hier bestellt er sich ein Gläschen „Hörner Tee“. Kurz darauf reichen ihm die gut gelaunten Fans aus der ersten Reihe dann Schnäpschen auf die Bühne… Vom Alkohol bleibt seine Performance freilich unbeeinträchtigt, Ralf Gyllenhammer ist in mehr als zehn Jahren zum gestandenen Vollprofi gereift. Dabei profitiert er auch von seinen Deutschkenntnissen. Bereits zu Beginn des Auftritts begrüßt er das Publikum mit: „Guten Abend, meine Herrschaften!“ Darauf erschallt ›Heresy Blasphemy‹, ein perfektes Beispiel für ihre Mischung aus knüppelhartem Thrash Metal und eingängigem Hard Rock. Jeden Kracher zählt der charismatische Mikromann mit „Eins, Zwei, Drei, Vier“ an. Jedes Mitglied des Schweden-Quartetts darf zeigen, was es drauf hat. Der neue Leadgitarrist David Johannesson ist blendend aufgelegt, doch noch scheut er die ganz großen Posen. Der neue Trommler Jejo Perkovic erweist sich als innovativer Schlagwerker. Zum Ende greift Gyllenhammer erneut zum Bierglas. „Auf die Weiber!“ kräht der Macho ins Mikrophon. Die Damen im Saal nehmen ihm das nicht weiter übel und singen munter den Refrain der unwiderstehlichen Hymne ›Black City‹ mit. Gut 350 Zuschauer sind in einer Montagnacht ins Kreuzberger Lido gekommen. Sie erleben eine gut gelaunte Band, vor allem Gyllenhammer gelingt die Verbindung von hartem Rock und kantigem Witz.
Henning Richter