Mike Rutherford
ACTING VERY STRANGE
(1982)
Nun beschreibt dieser Albumtitel ja quasi eine der visuellen Grundvoraussetzungen, um es überhaupt in diese Rubrik zu schaffen, aber eines muss man dem Genesis-Mitstreiter wirklich lassen: Sein Artwork erfüllt die Anforderungen mit Leichtigkeit und holt sogar nahezu das potenzielle Maximum an Skurrilität heraus. Nicht unbedingt deshalb, weil Bilder vor einem Vexierspiegel so rasend komisch wären. Das nun gerade nicht, zumal der humoristische Reiz angestaubter Jahrmarktsattraktionen im Laufe zunehmender Lebensjahre eben doch ein wenig verblasst und vermutlich nur noch bei erfrischend kindlichen Gemütern wilde Heiterkeitsausbrüche evoziert. Konkreter: Wenn sich Sechsjährige darüber wie doof beömmeln – super! Die gleiche Reaktion bei Personen reiferen Alters sollte einen misstrauisch machen.
Die einzige entschuldbare Ausnahme, zwar nicht juristisch betrachtet, aber zumindest aus medizinischer Sicht: Menschen, die gerade massiv gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben, deshalb die nächste halbe Stunde ungläubig ihre eigenen Finger betrachten und etwa alle 20 Sekunden „voll krass“ murmeln. Dies allerdings nur solange, bis ein überraschend kleines, purpurfarbenes Pferd mit dem Gesicht von Friedrich Merz durchs Zimmer hoppelt und für ein wenig Ablenkung sorgt. Auch voll krass. Hochdosiertes Vitamin C kann übrigens helfen.
Zurück zum Artwork: Cover von Rock-Schallplatten werden normalerweise nicht für das Humorverständnis von Erstklässlern designt – „guck mal, total lange Finger!“– und genau hier liegt der Hase im Pfeffer, wie man so sagt. „Very strange“ mutet also vor allem an, dass Rutherford diese Bilder von Gered Mankowitz, zweifellos einem der Großen der Rock-Fotografie, als passend erachtete, sein zweites Soloalbum zu zieren. Wirklich erstaunlich, was Künstler alles tun, um auch mal in dieser Rubrik erwähnt zu werden …