Rob Halford, Sänger der britischen Heavy Metal-Legende Judas Priest, philosphiert mit CLASSIC ROCK über das Leben, den Tod und seine Homosexualität.
Für viele Fans ist Rob Halfords einzigartige Stimme – und insbesondere sein markantes, hohes Kreischen – der Prototyp des klassischen Heavy Metal-Organs. Der Frontmann von Judas Priest ist ein Pionier: Mit seiner Band hat er herausragende Alben wie BRITISH STEEL oder SCREAMING FOR VENGEANCE herausgebracht – ohne diese Scheiben würde harte Musik heute wohl anders klingen. Auch optisch hat Rob Halford eine Vorreiterrolle eingenommen: Sein Outfit, das im Grunde nur aus viiiiiel Leder und noch viel mehr Nieten besteht, gilt seit Jahrzehn-ten als Kult. Zudem ist Halford nicht nur ein talentierter, sondern auch ein mutiger Mann. Er gehört zu den wenigen Heavy Metal-Musikern, die sich of-fen zu ihrer Homosexualität bekannt haben. Das ist in einer Szene, die in dieser Hinsicht noch immer als notorisch intolerant gilt, ein erhebliches Wagnis für die Karriere.
Doch Halford schert sich nicht um Konventionen. So hat er nach seinem (vorübergehenden) Ausstieg bei Priest im Jahr 1991 viel Zeit damit verbracht, neue musikalische Terrains zu erkun-den, unter anderem mit Fight, Two und seiner Solo-Band Halford. Doch nach diesen Experimenten ist er wieder in den Schoß von Priest zurückgekehrt – und bis heute überaus glücklich mit dieser Entscheidung.
Rob, in diesem Jahr hast du nach langen Jahren endlich einen Grammy mit Judas Priest gewonnen. Hat die Auszeichnung für dich eine besondere Bedeutung?
Ja, denn Anerkennung, sei es nun von den Fans, den Medienpartner oder den eigenen Kumpels, ist etwas, das man nicht für selbst-verständlich nehmen sollte. Und speziell für eine Band wie Judas Priest, die ja in einem Genre aktiv ist, in dem es nicht leicht ist, auch die Massen zu erreichen, bedeutet ein Grammy sehr viel. Schließlich ist der Award ja gleichbedeutend mit einer Oscar-Auszeichnung. Es gibt zwar immer wieder Leute, die nur deshalb zu solch einer Show gehen, um sich hemmungslos zuzuschütten, aber ich gehöre ganz sicher nicht zu dieser Spezies. Ich finde, man sollte der Jury mit Respekt begegnen.
Seit deinem Coming Out bei MTV sind inzwischen über zwölf Jahre vergangen. Was hat sich seitdem für dich verändert?
Ich bin wesentlich entspannter als früher. Früher habe ich mich ständig beobachtet gefühlt und wollte mich vor neugierigen Blicken verstecken. Das ist nicht mehr so, denn ich bin viel stärker geworden. Das hat auch damit zu tun, dass meine Homosexualität von den Fans nicht abgelehnt worden ist. Sie haben mir vielmehr Kraft gegeben. Und ich weiß auch, dass ich nicht der einzige Schwule in der Metal-Szene bin. Etliche Leute, die diesen Artikel lesen, sind ebenfalls homosexuell, da gibt es gar keinen Zweifel.
K.K. Downing hat einmal in einem Interview gesagt, dass er bereits seit 1971 wusste, dass du schwul bist. Wie schwierig war es für dich, das über so lange Zeit geheim zu halten?
Nun, in der Band wusste jeder Bescheid. Meine Familie und mein Freundeskreis ebenfalls. Doch damals war die Zeit noch nicht reif, das Ganze öffentlich zu machen. In den Siebzigern und Achtzigern gab es in der Bevölkerung kein Bewusstsein für solche Dinge. Zum Glück hat sich das inzwischen geändert.
Glaubst du an Gott – oder zumindest an eine höhere Macht?
Je älter man wird, desto mehr religiöse Theorien ergeben plötzlich Sinn. Ein gutes Beispiel dafür ist die Welle der Hilfsbe-reitschaft, die über die Menschen von Haiti hereingeschwappt ist, nachdem sie durch das Erdbeben alles verloren hatten. Oder auch das Mitgefühl, mit dem die Welt Amerika nach dem 11. September begegnet ist. Ich bin der Meinung, dass das nicht nur etwas mit Menschlichkeit zu tun hat, sondern auch eine tiefere Bedeutung dahintersteht. In welcher Form die Leute das ausdrücken, also ob sie nun einen Baum umarmen oder die Bibel lesen, ist dabei völlig egal. Wichtig ist nur, dass sie dem Anderen, dem Fremden offen gegen-über stehen.
Und wie sieht’s mit Reinkarnation aus?
Klar. Ich komme als Ratte im Laufrad zurück. Das wäre wirklich eine seeeeeeehr metallische Aktion…
Empfindest du die frühen Neunziger, als du mit Fight und Two relativ erfolglos mit anderen Stilrichtungen experimentiert hast, heute als eine schlimme Phase in deinem Leben?
Nein, eigentlich nicht. Jeder Musiker komponiert im Laufe der Zeit etwas, das die Leute lieben, aber eben auch Songs, die niemand mag. Das gehört dazu. Außerdem bin ich nicht der Meinung, dass Stücke, die kaum ein Fan hört, per se schlechter sind als welche, die zu Mainstream-Hits werden. Und für mich persönlich kann ich nur sagen: Es war wichtig, diese Erfahrung zu machen. Ich bin jedenfalls froh, dass es diese Zeit in meinem Leben gab.