Danko Jones zeigt sich einmal mehr als Mann mit vielen Talenten. Dazu macht seine Band gleich drei neue Angebote, denen ihre Fans kaum widerstehen können: ein frisches Album, eine brandneue DVD und ein aktuelles Buch.
Als Professor in Schlips und Kragen dozierte Danko Jones kürzlich in Wacken über Kiss. Laut seiner „wissenschaftlichen These“ sei Peter Criss bereits 1978 gestorben, sein Tod würde von den anderen Mitgliedern vertuscht. Zum „Beweis“ zog er Plattencover, Credits, Texte und Videos heran, die sein Forschungsergebnis untermauern sollen. Besonders Kiss-Kenner kamen während der Vorlesung auf ihre Kosten, ist Danko doch Kiss-Fan seit seiner Kindheit. „Man kann zu dieser Band stehen wie man will, aber eins steht fest, eine Band, die vierzig Jahre existiert, bietet eine Menge Stoff für Geschichten“, begründet er die Wahl des Themas seiner neuen Spoken Word Performance, mit der er auch auf Tour gehen wird.
Man kennt Danko Jones als testosterongetriebenen Frontmann des nach ihm benannten Trios, doch der Kanadier hat noch weitere Talente. So schreibt er Kolumnen für Zeitschriften, macht Podcasts, dazu hat er eine Radioshow. Nachdem er in den kargen Anfangsjahren als Musiker in einem Porno-Shop gearbeitet hatte, ist er profunder Kenner der Porno-Szene. Nicht umsonst zierte die höchst angesagte Sex-Aktrice Riley Steele das Cover des vorletzten Albums BELOW THE BELT. Quasi auf Knopfdruck kann Danko ganze Listen alter und neuer Porno-Heldinnen runterrattern, von Klassikern wie Ginger Lynn und Barbara Dare bis zu aktuellen Stars wie Tori Black und Taylor Rayne. Lustigerweise wird der Porno-Fan oft mit einem Rock´n´Roll-Prediger verglichen. „Deshalb haben wir einen Gospelsong auf dem neuen Album“, lacht er. Die Rede ist von ›I Believed In God‹ vom neuen Dreher ROCK´N´ROLL IS BLACK AND BLUE. Hier singt Danko wie ein fanatischer Sektenprediger, ein Holy Roller, unterstützt von einem Chor aus Gospelsängerinnen. Allerdings sagt schon die Vergangenheitsform im Titel, dass der Vokalist mit dem christlichen Glauben heute nichts mehr am Hut hat.
Das sechste Album sei als Fortsetzung von BELOW THE BELT geplant gewesen. „Du hast einen Plan, aber dann passieren Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Auf alle Fälle ist es eine Platte, die unsere Band repräsentiert, sie passt in unsere Diskografie.“ Die neue Scheibe ist ein gesunder Mix aus Partysongs, Rockhymnen und einigen Nummern mit leichtem Indie-Rock-Touch. ›Legs‹, zum Beispiel, erinnert an Joan Jett, „das ist ein großes Kompliment“, findet mein Gegenüber. ›Always Away‹ nähert sich Angus Young und AC/DC an. „Ich wollte ein massives Intro wie ›Thunderstruck‹ schreiben. Das Album wurde übrigens von dem Typen gemixt, der als Toningenieur für ›Thunderstruck‹ arbeitete.“ (Anm.: Mike Fraser). Öffner ›Terrified‹ brilliert mit vorwärts marschierenden Riffs und einem Hauch von Alternative Rock. Die Platte ist zudem das erste Werk mit ihrem neuen Schlagzeuger Atom Willard, ein erfahrener Mann, der zuvor bei namhaften Kapellen wie Rocket From The Crypt, Offspring und Social Distortion die Fell gerbte. Willard passt perfekt zu Danko Jones, denn er trommelt so frenetisch und überfallartig wie ihr früherer Kanonier Damon Richardson. „Atom ist Fan von Damon, er verfügt dazu über mehr Technik“, erläutert Jones. Inzwischen hat das Toronto-Trio fast so viele Drummer verschlissen wie Spinal Tap. Wie muss ein Trommler beschaffen sein, um in die Band zu passen? „Das Wichtigste ist, dass er unterwegs mit uns gut auskommt. Es ist wichtiger, dass wir auf Tour gut zusammen abhängen können, als dass er jeden Abend sämtliche Beats perfekt trifft“, antwortet Danko.
Vielleicht ist es für den Dritten im Bunde deshalb so schwer, weil Frontmann Jones und Basser/Manager John „JC“ Calabrese so eine verschworene Gemeinschaft sind. „JC und ich waren vom ersten Tag dabei und wer immer versucht, sich zwischen uns zu stellen, kommt nicht sehr weit“, weiß Danko. Von den Anfängen des „dynamischen Duos“ vor 16 Jahren berichtet die neue DVD BRING ON THE MOUNTAIN, die neben sämtlichen Musikvideos des Trios auch eine ausführliche Dokumentation enthält. Sie zeigt die bescheidenen Anfänge von JC und DJ, die anfangs vor allem in der Indie-Szene Torontos unterwegs waren. Schon damals zeigte sich die Neigung von Danko, auf der Bühne das Großmaul zu geben. Dazu hatte er das Talent, höchst süffige Riffs zu schreiben. Nachdem die Upstarts bei diversen Indie-Rock-Labels abgeblitzt waren, beschlossen sie, in Richtung Hard Rock a la Kiss und Thin Lizzy zu gehen. Das schwedische Garagenrock-Label Bad Taste nahm sie schlussendlich unter Vertrag, bis heute halten die Kanadier der skandinavischen Plattenfirma die Treue.
Ein offensichtliches Merkmal der Person Danko Jones ist die Diskrepanz zwischen seiner Rolle im Scheinwerferlicht und seinem Verhalten abseits der Bühne. Gibt er im Konzert stets den Sex-Protz und Macho-Lautsprecher, erscheint er privat zurückhaltend, fast scheu. Häufig versteckt er sich in einem Hoodie, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Er redet leise und wählt seine Worte genau. Wie passen Bühnenrollen a la Mango Kid, Dr. Evening, Brown Panther, Samuel Sin zu diesem mäuschenhaften Verhalten in der Garderobe? „Leute, die mich gut kennen, sagen, dass ich auf der Bühne ich selbst bin, allerdings mit zehn multipliziert“, grinst der vielschichtige Rocker.
Zusätzlich zum neuen Album und der DVD erscheint in diesen Tagen auch das Buch „Too Much Trouble: A Very Oral History of Danko Jones“. Im Wesentlichen kommen Weggefährten zu Wort, Charaktere wie Lemmy, Schauspieler Elijah Wood, Peaches, Dizzy Reed (Guns N´ Roses), Jello Biafra und Mike Watt (u.a. Stooges). „Über siebzig Personen wurden für das Buch interviewt. Geschrieben hat es Stuart Berman, ein erfahrener Musikjournalist, der bestens vernetzt ist. So hat er Kontakte zu unseren früheren Mitgliedern. Ihre Aussagen wurden nicht zensiert, sie konnten frei sprechen und haben das auch ausführlich getan“, macht Danko den potentiellen Leser neugierig. „Es kam aber an den Punkt, an dem ich Stuart sagte: ,Hey, ich muss darauf antworten! Sie können sagen, was sie wollen, aber ich muss mich wehren dürfen.‘ So gab ich ihm fünf Verteidigungen, er nahm drei – es ist schließlich sein Buch.“
Typisch für Entschlossenheit und Wahn des Rockers Danko Jones ist folgende Geschichte, die auf der DVD erzählt wird. Lange Jahre schlug er sich im Konzert während des finalen Songs ›Bring On The Mountain‹ als Geste mannhafter Bestärkung ins Gesicht. Dazu sagte er: „This heart gets stronger / this skin gets thicker / this mouth gets louder“. Dabei klatschte er sich mit der linken Hand auf die linke Wange. Diese Rock´n´Roll-Geiselung machte er so viele Nächte bis er fast blind wurde, da sich seine Netzhaut gelöst hatte. „Es begann mit drei Schlägen, später wurden es neun Schläge pro Abend. Das hatte Konsequenzen. Mein Auge wurde rot. Ich musste ins Krankenhaus. Jetzt bin ich auf dem einen Auge kurzsichtig und auf dem anderen Auge weitsichtig. Seither trage ich Brille.“