Zwischen Dope und Räucherstäbchen
Hatte man sich die Tage zuvor noch unter erbarmungsloser Hitze in diverse Konzertlokalitäten gekämpft, so schlittert man heute im strömenden Regen durch große Pfützen in die Muffathalle. Drinnen müssen aus Nässe-technischen Gründen erst einmal die Schuhe zum Trocknen ausgezogen werden und sofort ist man schon etwas mehr drin in diesem Gefühl, das Chris Robinson auf seiner vorletzten Platte so wunderbar als „barfuß im Kopf“ beschrieben hat. Die Sohlen berühren den warmen Holzboden der Halle und in diesem geerdeten Zustand lässt man die (wohl nach einem Song von The Who benannte) Vorband Magic Bus ihre erweiternden Klänge über sich ergießen.
Selten wurde man von einem Support-Act so perfekt auf den kommenden Star des Abends vorbereitet: Das sympathische Quintett aus Devon in England entführte die Gedankenkreise seines Publikums ab den ersten Tönen zurück in die 60er Jahre. Nicht nur die verspielten, teils blumigen, teils etwas schwereren Arrangements trugen dazu bei, sondern vor allem auch der nach Leon Russell aussehende Herr an der Orgel, der seinem Instrument mal spacige Hawkwind-Allüren, mal zarte Piano-Passagen und dann wieder pulsierend-warmen Hammondsound entlockte. Zurecht wird die bunte Truppe nach circa 40 Minuten unter großer Jubelei verabschiedet.
Nach kurzer Umbaupause folgt dann der unaufgeregt zauberhafte und über zwei Stunden dauernde Auftritt von Chris Robinson. Eine bereits aus diversen Videos bekannte, große Holzeule ziert den Amp des Bassisten und fungiert als hübsche Räucherstäbchen-Halterung. Der diesen typische Geruch durchdringt die Halle langsam und untermalt das zur Schau gestellte Happening olfaktorisch nochmals eindringlich. Seh-, Hör- und Geruchssinn sind jetzt besetzt von dem losgelösten Hippie-Flair, das der ehemalige Black-Crowes-Sänger mit seiner Bruderschaft heraufbeschwört. Mit den Worten „Keine Sorge, wir spielen jetzt all unsere Hits“ steigt der bärtige Frontmann kichernd in sein Set ein und tritt einen sympathischen Jam-Abend der Extraklasse los.
Dabei pflügt er einmal querbeet durch seine bisherige Brotherhood-Diskografie. Alle Mitglieder seines Clans sind mit Glitzersternchen markiert: Er selbst trägt einen als Bindi – also als energetisches drittes Auge – auf der Stirn, drei blonde Damen neben mir kommen ebenfalls mit Glitzer übersät aus dem Backstage-Bereich und feiern ihre oben stehenden Bekannten/Freunde/Partner/Väter (man weiß es nicht genau) ausgelassen. Mit jedem neuen Song steigern sich die Improvisationseinlagen weiter, bis man sich irgendwann inmitten eines massiv-hippiesken Monster-Jams widerfindet, der zwischen Blues, Folk, Funk, Soul, Psychedelic- und Classic Rock umherpendelt und dem schätzungsweise unter Marihuana-Einfluss stehenden Star (seine Äuglein verraten es) offensichtlich größten Spaß bereitet.
Jeder der Beteiligten beherrscht die Kunst der Improvisation natürlich perfekt: Von Bass über Slide-Gitarre bis hin zu Orgel und den Drums sitzt jede Note an der richtigen Stelle und wirkt doch so frei wie ein Vogel auf dem Weg ins Nirgendwo. Auch wenn Robinson – übrigens immer mit Gitarre statt nur solo am wundervollen Gesang wie damals bei den Crowes – nicht allzu viel direkt mit seinem Publikum kommuniziert, so fühlt sich die Verbindung zwischen vor und auf der Bühne doch verdammt intensiv an. So intensiv, dass der Künstler nach seiner Zugabe mit verdienten Ovationen eines ausgewählten Publikums in eine bestimmt noch nicht endende Nacht entlassen wurde.