Glenn Hughes ist 62 Jahre alt und aktiver denn je. Nach dem Scheitern von Black Country Communion setzt er mit Jason Bonham und dem 23-jährigen New Yorker Andrew Watt wieder auf das Trioformat und damit ein weiteres Rufzeichen in Sachen Retro-Rock.
Das dritte Interview in drei Jahren, und Glenn Hughes wiederholt sich nicht ein einziges Mal. Der Mann ist Profi, seit mehr als vier Jahrzehnten im Geschäft. Nach dem Ende der sogenannten „Supergruppe“ Black Country Communion hätte man erwartet, dass der seit Mitte der 70er in Los Angeles lebende Engländer zumindest ein bisschen frustriert sei. Das Gegenteil ist der Fall. Er weiß genau, dass er mit dem kommerziellen Erfolg von BCC (die letzten beiden Alben erreichten die Top 10 in Deutschland) wieder zurück auf der ganz großen Bühne ist. Er, der alternde Held einer vergangenen Epoche, hat die nie erwartete „zweite Chance“ ergriffen. Und er will sie nutzen, solange es noch geht. Und jetzt endlich lässt man ihn. Auch alleine.
Eigentlich habe er genug zu tun gehabt, grinst er durch seine strahlendweiß gebleichten Zähne. „Ich war mit den Kings Of Chaos (eine Allstar-Truppe um Slash, Gene Simmons von Kiss, Joe Elliott von Def Leppard u.a.) auf Tour, hatte Songs für ein weiteres Soloalbum geschrieben, aber dann lernte ich Andrew kennen.“ Die Geschichte der Entstehung von California Breed ist typisch Hughes: Bevor er zum Kern der Sache kommt, muss er erst einmal wieder in fein abgestimmten Nebensätzen fallen lassen, wen er alles in der Welt der Schönen und Reichen kennt. „Als ich auf einer Modenschau meines Freundes John Varvatos mit Julian Lennon sprach, der dort die Fotos machte, erzählte er mir von einem Gitarristen und Sänger, den ich unbedingt kennenlernen sollte. Als ich die Demos von Andrew hörte, ließ ich ihn nach Los Angeles einfliegen und wir schrieben direkt am Nachmittag zwei Songs.“
Anfangs sei er wegen des Altersunterschiedes von fast 40 Jahren etwas skeptisch gewesen, aber als ihm seine Frau bestätigte, man höre dies auf den Demos überhaupt nicht, habe er Jason Bonham in Florida angerufen, um ihm mitzuteilen, dass sie wieder eine Band hätten.
„Denn Jason und ich hatten nach dem Ausstieg von Bonamassa beschlossen, weiter zusammen Musik zu machen, allerdings ohne Keyboards. Ich habe in einem Trio angefangen, also warum nicht zurück zu den Wurzeln?“ Im Stile eines Musikdozenten zählt er alle relevanten Trios der Rockgeschichte auf, komischerweise gehören für ihn auch Led Zeppelin dazu; wahrscheinlich, um den Bezug zum kreativen Kosmos von Jasons Vater John nicht zu verlieren. Hughes war damals schließlich bei einigen Proben dabei. Das darf man nicht unerwähnt lassen.
Mit Watt und Bonham schreibt er Songs, die vor allem eins nicht dürfen – nach Black Country Communion klingen. So sehr er Bonamassa auch über den grünen Klee lobt, zwischen den Zeilen beschwert sich Hughes immer wieder über den egozentrischen Blueser, mit dem er „auf der Bühne nie wirklich eine gemeinsame Ebene erreichen“ konnte. „Ich bin der ‚immer in die Fresse rein‘-Typ, während Joe eher zurückhaltend ist. Am Ende der letzten Tour spürte ich, dass er darauf keine Lust mehr hatte.“
Keinen Bock mehr hatte Hughes auch auf den Produzenten Kevin Shirley, den Strippenzieher hinter Black Country Communion. Schon bei der Erwähnung des Namens verzieht der überzeugte Sonnenbrillenträger sein Gesicht. Ob er froh sei, nicht mehr mit Kevin Shirley arbeiten zu müssen? Klassische Helmut-Schmidt-Antwort: „Das ist die falsche Fragestellung.“ Nächster Versuch: Hat er mit Dave Cobb einen neuen Produzenten mit ins Boot geholt, weil er damit unbedingt verhindern wollte, erneut wie Black Country Communion zu klingen? „Nicht nur das. Kevin ist mir zu eingefahren, was seinen Sound angeht. Ich brauche mehr Luft und auch mehr Dreck. California Breed lebt von der Mischung aus den drei verschiedenen Generationen, das sollte schon rüberkommen.“
Hughes kennt Cobb von dessen Arbeit mit den Rival Sons, einer Retro-Rock-Band aus LA, die seit vier Jahren mit ihren Alben und Live-Shows für Furore sorgt (California Breed haben im Dezember in Cobbs Studio in Nashville aufgenommen, die Rival Sons direkt danach im Januar). „Nashville ist toll“, schwärmt Hughes und erzählt von einigen Projekten, die er in den letzten Jahren dort aufgenommen hat. Die Leute seien irgendwie anders. Wie er da auf seinem Sessel thront und mit großartigen Grimassen den Südstaaten-Akzent nachahmt, möchte man am liebsten die Kamera zücken.
Die Aufnahmen seien völlig unkompliziert gewesen, fährt er fort. „Dave hat mich allerdings übertölpelt. Ich singe jeden Song immer zweimal ein, um dann daraus die beste Version zu basteln. Diesmal hat die erste gereicht.“ Hughes besteht darauf, dass die komplette Scheibe, bis auf ein paar Overdubs, live eingespielt wurde. „Der erste Gedanke ist immer der beste“, lässt er verlauten, live habe man schließlich auch nur eine Chance.
Besonders stolz sei er diesmal auf die Texte, denn er werde mit dem Alter immer besser. „Wenn ich mir meine Ergüsse aus Deep-Purple-Zeiten heute anhöre, schäme ich mich manchmal.“ Was das Gesamtpaket California Breed angeht, gibt es allerdings nichts zu meckern, da hat Hughes Recht: Mit Andrew Watt gelingt der Hälfte von Black Country Communion ein Album, das seine Wurzeln zwar tief in den 70ern hat, aber durch die Interpretation des spätgeborenen Gitarristen eine völlig andere Schlagseite bekommt. Ein bisschen Blues, ein bisschen Dreck, ein bisschen Grunge. ›Spit You Out‹ zum Beispiel, der beste Song, könnte auch von den Stone Temple Pilots stammen. Den Vergleich nimmt Hughes zufrieden lächelnd zur Kenntnis, schließlich kennt er die DeLeo-Brüder auch ganz gut.
Apropos: Hätte er jemals gedacht, wieder einen Song von Ritchie Blackmore im Studio zu singen, wie auf dem Dio-Tribute THIS IS YOUR LIFE mit ›Catch The Rainbow‹ geschehen? „Für meinen Freund Ronnie tue ich alles, auch wenn er tot ist! Da ich den Song schon auf seiner Beerdigung gesungen habe, lag die Studioversion auf der Hand. Es war übrigens Ronnies Witwe Wendy, die das Stück unbedingt auf dem Album haben wollte. Erst danach kamen dann die anderen Bands wie Metallica, Scorpions, Anthrax und Halestorm dazu. Einer muss ja den Anfang machen.“ Mangelndes Selbstbewusstsein kann man dem Mann wirklich nicht vorwerfen.