Er gibt sich auf der Straße liebend gern dem Rausch der Geschwindigkeit hin. Doch musikalisch
schlägt AXEL RUDI PELL gemäßigtere Töne an, wie sein aktuelles Album THE CREST beweist.
An sich liebt Axel Rudi Pell die Geschwindigkeit: Seit den großen Erfolgen des Formel 1-Piloten Michael Schumacher ist er bekennender Fan des vielfachen Weltmeisters, in seiner eigenen Garage in Bochum-Dahlhausen steht zudem ein silberfarbener Audi R8-Sportwagen. Viel mehr motorisierte Rasanz geht kaum. „Früher schwärmte ich wegen Schumacher auch für Ferrari, aber das hat sich nun ja erledigt“, erklärt er augenzwinkernd. Glücklich ist Pell mit dem aktuellen Engagement des deutschen Topfahrers bei Mercedes allerdings nicht: „Für mich sitzt da der richtige Typ im falschen Wagen.“
Als Musiker hingegen ist Axel Rudi Pell alles andere als ein bedingungsloser Hochgeschwindigkeitsfetischist. Der jahrelang im Hard Rock-Terrain zu beobachtende Trend nach immer schnelleren Gangarten, noch flinkeren Gitarrensoli und allzu hektischen Schlagzeug-Parts ist seine Sache nicht. Ganz im Gegenteil: Auf dem neuen Album THE CREST schlagen er und seine Band ein wohltuend gemäßigtes Tempo an. Mit ausdrücklichem Einverständnis von Trommler Mike Terrana wurden dabei Doublebass-Attacken sogar komplett gestrichen: „In Amerika geht der Trend wieder zurück zu weniger hektischen Grooves. Außerdem hat Mike mir gesagt, dass er den inflationären Einsatz von Doppelbass-Parts sowieso nicht mag.“
Für Pell sind es vor allem Melodien, die zählen – und die es in einen passenden Kontext zu stellen gilt. Ein übermäßig nervöses Ausagieren von Instrumenten aus Gründen reiner Selbstdarstellung wäre bei seinen Songs absolut fehl am Platz, zumal ihm mit dem Amerikaner Johnny Gioeli (ehemals Hardline) seit langem ein exzellenter Sänger zur Verfügung steht. Für Gioeli werden die Gesangslinien quasi auf Maß geschneidert: „Die grundlegenden Ideen stammen zwar von mir, aber Johnny hat einzelne Passagen auf sein Timbre abgestimmt“, so Pell.
Im Lager der Axel Rudi Pell Band herrscht absolutes Vertrauen unter-einander. Gioeli, Terrana, Bassist Volker Krawczak und Keyboarder Ferdy Doernberg arbeiten seit mehr als zehn Jahren mit Pell zusammen, eine Seltenheit im schnelllebigen Musikbusiness. Aber der Band-Chef ist ein loyaler Zeitgenosse, der seinen Kollegen ebenso treu bleibt wie seinem Idol Ritchie Blackmore, das ihn seit 35 Jahren inspiriert: „Am 23. März 1975, einem Ostermontag, sah ich zum ersten Mal Deep Purple auf einem Festival in der Dortmunder Westfalenhalle, von da an war ich fürs Leben infiziert.“ Es gibt in der Tat unerquicklichere Ansteckungen…
Matthias Mineur