Bon Jovi. Pink Floyd. Genesis. The Rolling Stones. Rod Stewart. Tina Turner. Madonna. Pink.
Unterschiedliche Top-Acts, eine Gemeinsamkeit: Diese Weltstars sind käuflich! Hauptsache, der Rubel rollt. Nur ganz wenige Musiker haben das Rückgrat, den millionenschweren Verlockungen von Großkonzernen zu widerstehen. Tom Waits etwa lehnt Schulterschlüsse mit der Industrie strikt ab, ebenso Neil Young.
Text: Thomas Hammerl
50 Millionen US-Dollar. So viel schüttete Pepsi Cola jüngst Beyoncé dafür in den Rachen, die ehemalige Destiny’s-Childs-Vocalistin vermarkten, ihr fünftes Solo-Album samt Welttournee bewerben zu dürfen. Der Deal mit dem neuesten H & M-„Gesicht“ ist das aktuellste und irrwitzigste Beispiel dafür, in welch unglaubliche Dimensionen sich die Verträge zwischen „Megastars“ und meist global agierenden Unternehmen inzwischen hochgeschaukelt haben. Was rund drei Jahrzehnte früher auf diesem Sektor ausgehandelt wurde, nimmt sich im Vergleich dazu wie Taschengeld aus. Den Auftakt machten – wie sollte es auch anders sein? – The Rolling Stones. Der Tross um den geschäftstüchtigen Mick Jagger hatte es 1981 eingefädelt, dass Jovan Cosmetics 500.000 US-Dollar bereitstellte, um die „klammen“ Stones live finanziell zu unterstützen. Gerade mal fünf Millionen US-Dollar soll Pepsi 1984 die Verpflichtung von Michael Jackson wert gewesen sein (unvergessen, als beim Dreh zum Werbefilm seine Kopfhaare in Brand gerieten und er Verbrennungen dritten Grades erlitt). Rund 6,1 Millionen US-Dollar wurden an Madonna überwiesen, damit der amerikanische Softdrink-Hersteller die Erlaubnis erhielt, mit einer minimal modifizierten Kurzversion des Titelsongs von ihrem Album LIKE A PRAYER zu werben und die „Blond Ambition“-Welttournee 1990 zu präsentieren. Angeblich 20 Millionen US-Dollar soll es Pepsi wert gewesen sein, bei der „Steel Wheels/Urban Jungle“-Worldtour der Rolling Stones dabei zu sein.
Der Cola-Krieg
Der Krieg zwischen Pepsi und Coca Cola um die Giganten kam Anfang der Achtziger richtig ins Rollen. Geld scheint seit damals keine Rolle mehr zu spielen, wenn es darum geht, den Marktführer Coke in riesigen Werbekampagnen anzugreifen. Der erbitterte Konkurrenzkampf, bei dem die beiden Cola-Produzenten die monetäre Messlatte auf astronomische Höhen hochschraubten, wird mit bezahlten „Söldner“-Promis ausgefochten. So konnte Pepsi unter anderem Michael Jackson, Tina Turner, David Bowie, Rod Stewart, Pink, Glenn Frey, Ray Charles, die bislang erfolgreichste weibliche Teenpop-Combo The Spice Girls (welche parallel noch vom Chips-Hersteller Walkers, der Deo-Linie Impuls, Schoko-Fabrikant Cadbury’s plus Polaroid gesponsert wurde) oder deren aktuelles, männliches Gegenstück One Direction für sich gewinnen.
Coca Cola konterte mit ebenfalls schweren Promi-Geschützen: Bon Jovi, George Michael, Elton John sowie der offenbar flexible David Bowie traten in Werbeclips auf. Das Konterfei von einigen Interpreten der Coca-Cola-Spots wurde auf limitierte Dosen gedruckt: 1993 gab es die „Coca Cola Is The Music“-Serie mit Bon Jovi, den Scorpions, Sting, Udo Lindenberg, BAP, Chris Rea, Peter Maffay, Die Fantastischen Vier und Westernhagen. 1994 vermarktete die „Always Music Collection“ David Bowie, Phil Collins, H-Blockx und andere mehr. Ähnliches gilt für die Star-Vermarktung bei Pepsi und treibt bis heute kuriose Blüten: Auf eBay wird eine ungeöffnete Spice-Girls-Diet-Pepsi-Dose aus dem Jahr 1997 für 1.600 US-Dollar angeboten!
Gute Gelegenheit, um kurz zu erklären, welche zwei Sponsoring-Hauptformen es gibt: Einerseits dergestalt, dass eine Fir-ma den Künstler einkauft, um ihn zu ihrem Werbegesicht/Markenbotschafter zu machen; andererseits das Toursponsoring oder jenes von einzelnen Live-Events („Telekom street gigs“) wie auch Festivals („Rock am Ring/im Park“). Wenn dann der Name des Sponsors in direkter Verbindung zum Event steht, heißt das „Branded Entertainment“. Einige Konzerne engagieren sich dabei löblicherweise sogar in der Nachwuchsförderung („Jägermeister Rock:Liga“, Bitburger – „Bit Music Contest“, „Beck’s Music Experience“ oder dem von den Itzehoer Versicherungen unterstützten „John Lennon Talent Award“). Interessant ist auch die neue Veranstaltungsserie „Music First“ in Nordamerika, welche die Biermarke Bud Light dieses Jahr sponserte: Unter dem Titel „50/50/1“ fanden am 1. August in allen 50 US-Staaten 50 Konzerte mit Indie-/Alternative-Rockacts wie The Gaslight Anthem, Portugal. The Man, The Flaming Lips, Coheed & Cambria, Gogol Bordello, The Airborne Toxic Event und Clap Your Hands Say Yeah statt.
Witzfigur Elton John
Im ersten Fall wird der Musiker völlig in die Vermarktung des Produktes eingebunden. Ein Schulterschluss, der so eng wie möglich sein und auf allen Ebenen ausgetragen werden soll. Manchmal machen sich Popstars durch diese Rundum-Vermarktung, die meist auch Werbespots mit einbezieht, zum Gespött. Madonna hielt in ihrem Clip ein Exemplar des Softdrinks direkt in die Kamera, Elton John trug bei seinem Video – alles andere als dezent – ein Brillengestell in Form des Schriftzuges von Cadbury, dem britischen Schokoladenhersteller. Status Quo haben für die aktuelle Multi-Millionen-Dollar-Kampagne von Coles ihren Hit ›Whatever You Want‹ neu aufgenommen und dabei sogar den Text des Klassikers ganz den Erfordernissen der australischen Supermarktkette angepasst! Im dazugehörigen Werbeclip spielen die britischen Boogierocker auf Gitarren, deren Korpusse dem Coles-Logo nachempfunden ist.
Kopf-an-Kopf-Rennen
Im zweiten Fall steuert der Industriepartner eine möglichst hohe Finanzspritze zur Tournee bei und wird dann in deren mediale Vermarktung mit Schriftzug, werbeträchtiger Vor-Ort-Präsentation etc. eingebunden. „Dieses Toursponsoring gibt über die klassische Werbekampagne hinaus die Möglichkeit der Kommunikation und des Sympathietransfers“, erklärt Marketingexperte Dr. Matthias Schroeter. Warum als Mittel zum Zweck Pop- und Rockmusik gewählt wird, liegt laut des ehemaligen Marketingdirektors von PepsiCola Deutschland-Österreich-Schweiz „in der Zielgruppenaffinität. So haben wir noch vor der Konkurrenz über diesen Bereich nachgedacht und sind ihn mit der ganz speziellen Schiene ‚Topstar und Drink’ angegangen. Im Klartext: Wir schließen dann mit einem Künstler ab, wenn er ein neues Album auf den Markt bringt und auch auf Tournee geht. In den Staaten wurde daraus ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wir haben mit Tina Turner und Michael Jackson begonnen, während sich die Rivalen mit Julio Iglesias versuchten. Davon haben sie aber schnell die Finger gelassen und sind erst später wieder auf unsere Spur übergegangen.“
Kunst wird kapitalisiert
Zweckehen zwischen Markenartikler und Musiker zu stiften sowie potentielle Partner miteinander zu verlinken, hat Christian Timmer frühzeitig erkannt und sich darauf spezialisiert. Der Ex-Mitinhaber der Agentur Concert + Co. sowie spätere Geschäftsführer der mittlerweile verkauften CSS Congress- und Sponsorship GmbH, der an den Geschäftsverbindungen während der Deutschlandtourneen von Genesis (mit Blaupunkt, 1987) und Michael Jackson (mit Pepsi, 1988) beteiligt war, erinnert sich: „Musiker, Managements und Veranstalter wurden immer offener für Geld, weil die Kosten und das damit verbundene Risiko bei dem Wahnsinns-Aufwand der großen Pop- und Rock-Konzerte einfach gigantisch sind. Gäbe es keine finanzielle Rückendeckung von außerhalb, wären in dieser vom Staat nicht subventionierten Kulturarbeit keine auch nur halbwegs akzeptablen Eintrittspreise möglich.“ Diese Argumentation ist durchaus logisch, wenngleich in der Tourneebranche häufig Folgendes außer Acht gelassen wird: Meist werden Gastspielreisen von Topacts gesponsert, die derart zugkräftig sind, dass ihre Auftritte in den größten Locations ohnehin bestens besucht werden.
Dieser starke Zuspruch eines möglichst breiten Publikums ist schließlich das erhoffte Ziel seitens der Industrie, wenn Geld locker gemacht worden ist. Timmer: „In der Regel wollen Interessenten sich an die Tour eines bekannten Künstlers mit großem Medienaufwand dranhängen, sind dann aber meist völlig erstaunt, wenn sie erfahren, wie viel Kohle die Amis fordern.“ Zumindest in den USA sorgte das Engagement der beiden Sponsoren Jim Beam und Harley-Davidson allerdings dafür, dass Kid Rock und ZZ Top im Sommer 2013 auf „$ 20 Best Night Ever“-Tourneen gingen – wobei die Eintrittspreise auf volkstümliche 20 US-Dollar beschränkt wurden.
David Gilmour: »Die reine Gier hat uns dazu getrieben!«
Einer der in Deutschland ansässigen Vorreiter im Toursponsoring, der die große Investition nicht scheut, ist Volkswagen. Die Wolfsburger Autobauer läuteten 1992 eine neue Phase ein und spannten sich als erste Genesis während der WE CAN’T DANCE-Tour vor den Karren. 1994 folgten Pink Floyd. Gitarrist/Sänger David Gilmour bezeichnete im Interview mit „Gala“ diese Kooperation für THE DIVISION BELL rückblickend jedoch als Fehler: „Die reine Gier hat uns dazu getrieben.“ 1995 folgten die Rolling Stones anlässlich ihrer VOODOO LOUNGE-Tour. Beim Ex-Rebellen Mick Jagger muss die Aussicht auf – laut „ME/Sounds“ – drei Millionen Mark zusätzlich zur Garantiegage von 14 Millionen Mark einen Sinneswandel bewirkt haben getreu dem Motto „Was schert mich mein Geschwätz von gestern“. Der Mercedes-Fahrer hatte 1970 gegenüber dem „Spiegel“ noch erklärt: „Man braucht keine Volkswagen herzustellen. Ich brauche keinen Volkswagen. Es gibt viel zu viele Volkswagen.“ 1996 war VW weiterhin in voller Fahrt, denn sie gaben mit der damaligen Bon-Jovi-Tournee Gas – wie immer begleitet von entsprechenden Sondermodellen der Sorte „Golf Bon Jovi“.
Volkswagen Nutzfahrzeuge ging indes eine Zusammenarbeit mit The Who ein. Deren Klassiker ›My Generation‹ wurde nicht nur für die Markteinführung des „Multivan“ eingesetzt, Townshend, Daltrey & Co., die am Anfang ihrer Karriere selber mit einem VW-Bus zu ihren Auftritten gefahren waren, spielten am 31.August 2007 anlässlich des 60. Geburtstages des VW-Busses auch noch beim Bulli-Treffen auf dem Messegelände in Hannover. Parallel zum Vorverkaufsstart der Depeche-Mode-Stadiontour 2013, deren offizieller Präsentator bei 16 der 36 Konzerte in neun Ländern die Telekom ist, trat Sänger Dave Gahan im Werbespot für den Golf VII auf.
Toursponsoring: Rentabilität nicht direkt messbar
Inwieweit der Investor vom Sponsoring profitiert und sich sein Cash-Einsatz auszahlt, ist in Umsatzzahlen nicht unmittelbar messbar. Pepsi Cola blieb im Jackson-Jahr trotz einer immensen Investition mal wieder auf Platz zwei hinter Erzkonkurrent Coca Cola. Der elektronische Komponentenhersteller TDK (in den 80er/90er Jahren bekannt für seine Musikkassetten), der bereits einmal eine Stones-Tour bezuschusst hatte, verzeichnete durch sein Sponsoringengagement ebenfalls keine direkte Umsatzsteigerung. Und VW? Konnten immerhin 85.000 Pink-Floyd-Golfs verkaufen. Von größerer Bedeutung scheint jedoch die Image-Frischzellenkur zu sein, welche solch eine Allianz auslöst. Passen Produkt und Musik-Act zusammen, dann bringt Sponsoring „neben einer größeren Markenbekanntheit“, so der ehemalige Pepsi-Manager Schroeter, „nachweislich höhere Sympathie- und positive Imagewerte sowie eine stärkere Markenidentifikation.“
Vertragsauflösungen nach Fehlverhalten
Entscheidet sich eine Firma für den „falschen“ und nicht massenkompatiblen Künstler, kann die ganze Kooperation aber auch nach hinten losgehen. Diese Erfahrung machte dieses Jahr Pepsi Cola. Der Getränkegigant geriet in die Kritik wegen seiner Werbespots für die Limonade Mountain Dew, die Tyler, The Creator, entwickelt hat. Der bereits häufiger wegen frauen- und schwulenfeindlicher Texte kritisierte Rapper zeichnet für die drei Clips verantwortlich, deren stereotype Darstellung von Schwarzen und Gewalt gegen Frauen angeblich witzig gemeint ist. Nach massiven Protesten wurde das letzte, 60 Sekunden lange Internet-Video, das der amerikanische Analytiker Dr. Boyce D. Watkins als „die vielleicht rassistischste Werbung aller Zeiten“ bezeichnete, mit einer offiziellen Entschuldigung zurückgezogen. In derselben Woche beendete PepsiCo auch seine Zusammenarbeit mit Superstar Lil Wayne, der in dem Song ›Karate Cop‹ eine krude Anspielung auf den 1955 aus rassistischen Motiven brutal misshandelten und ermordeten Afroamerikaner Emmett Till gemacht hatte. Der Hip-Hopper Rick Ross wiederum verlor seinen Deal mit Reebok, nachdem er über die Vergewaltigung einer unter Drogen stehenden Frau gerappt hatte.
Swatch: vom Live-Sponsor zum Plattenproduzenten
Der Uhrenhersteller Swatch musste auch eine recht ernüchternde Erfahrung machen: Nach einem Schweizer Gastspiel von Sting wurden die Besucher befragt, ob sie den Namen des Sponsors kennen würde – kein einziger wusste Bescheid! Nicht zuletzt deshalb zog sich Swatch vom Livemusik-Sponsoring zurück und investierte stattdessen in eine andere Marketingidee: Zusammen mit einer Plattenfirma wurde im Hinblick auf eine Swatch-Uhr mit einem massiv metallenen Armband das Bandprojekt The Heavy’s ins Leben gerufen. Unter diesem Namen machten sich Studiocracks nach Vorbild der Stars-On-45-Truppe daran, ein ›Metal-Marathon‹ einzuspielen. Die Nahtlos-Kopplung der heißesten Metalhits, verpackt in ein Cover mit einem futuristisch-erotischen Airbrush-Roboter-Girl als Blickfang, platzierte sich wochenlang in den skandinavischen und schweizerischen Charts. Das Ende vom erfolgreichen Lied: Nach der Maxi-Single erschien das dazugehörige Album.
Coca Cola: »Uns gehört der Sound«
Zurück zu den Preistreibern der Branche: Während Pepsi ganz auf die Breitenwirksamkeit eines Topstars setzt und dessen Popularität auf allen Kanälen für sich nutzt, vertraut Coca Cola mittlerweile auf ein anderes Rezept. „Wir verfahren nach dem Leitmotiv ‚Uns gehört der Sound und nicht der Star!’“, erklärt Ex-Kommunikationschef Klaus Hillebrand das Credo des Getränke-Multis. Der hatte sich einst George Michael gesichert. Der britische Popsänger ließ es sich mit 7,5 Millionen US-Dollar versüßen, eine Lobeshymne auf Coca Cola Light zu singen. „Das entspricht genau unserem Leitmotiv. Wir versuchen so, eine ganz frische, jugendliche, aktuelle Musik zu kreieren, in der Hoffnung, dass sie sich international durchsetzt.“ Beispielhaft vorexerziert hat das die Amerikanerin Robin Beck. Sie interpretierte für Coca Cola den Werbejingle ›First Time‹. Dieser wurde in Marketingallianz mit einer Plattenfirma zu einem platinveredelten Hit umgemünzt. Dadurch brauste die Brause zum dritten Mal seit 1972 inkognito in die Charts. Alljährlich zur Weihnachtszeit ein Dauerbrenner ist Melanie Thorntons ›Wonderful Dream‹. 2012 stammte der Soundtrack zum „cool-authentischen Crazy-Berlin-Werbespot für Coca Cola Light“ („Süddeutsche Zeitung“) von Icona Pop. Die Electro-Hymne ›I Love It!‹ des schwedischen Duos, die davor bereits beim Dolce & Gabbana-Blog dudelte, erreichte in Österreich und Deutschland sogar Platz 3.
Ein Erfolg, viele Nachahmer
Das Coca-Cola-Rezept, Werbemusik als Topsongs zu konzipieren, war derart durchschlagend, dass es längst viele Firmen mit Erfolg kopierten (Link-Tipp: www.tvsongs.de). Citroen stellte es 1985 besonders clever an, als Teile des spektakulären Grace-Jones-Clips zu ›Slave To The Rhythm‹ zu einem eigenen Werbetrailer für den CX 25 GTI Turbo 2 umfunktioniert wurden. Renault setzte für seinen R 5 auf die Münchner Band Dominoe und schoss 1988 mit ›Here I Am‹ an die Hitparadenspitze. Alan Prices (ehemals Keyboarder der Animals) Oldie ›Changes‹ kurvte 1989 dank eines VW-Spots wieder in den Singles-Bestsellerlisten umher. Nissan setzte sich 1991 in Sniff’n The Tears‘ ›Drivers Seat‹ (1978) und der Honda Civic fuhr zu Marilyn Mansons Version von ›Tainted Love‹. Klassikerstatus besitzt ›Like Ice In The Sunshine‹ (1986) für Langnese, komponiert vom deutschen Duo Beagle Music Ltd. Das Bekleidungsunternehmen C & A schickte als Soundtracks ihrer Werbung 1994 Fool’s Garden (›Wild Days‹) und – besonders erfolgreich – 1998 die bis dahin völlig unbekannten Bananafishbones (›Come To Sin‹) ins Rennen. Das die Sneaker-Loft-Werbung begleitende ›If A Song Could Get Me You‹ machte Marit Larsen bekannt. Der Telefonanbieter Alice wurde mit Mikas ›Relax, Take It Easy‹ einmal erhört, während die Telekom unter anderem mit ›Nessun Dorma‹ (vom ehemaligen Telefonverkäufer Paul Potts) und ›High‹ (James Blunt) Chartsanschluss fand.
Ein noch besseres Gespür legte der Telekom-Mitbewerber Vodafone an den Tag. Er bewies dank Empire Of The Sun (›We Are The People‹, 2010), Bag Raiders (›Way Back Home‹), Santigold (›Disparate Youth‹, 2012) und – aktuell – Capital Cities’ ›Safe And Sound‹ (die als Referenz bereits eine Million YouTube-Clicks mitbrachten) ein goldenes Händchen in Folge. Kurzen Prozess indes machte Microsoft. Für den Windows 8-TV-Werbespot wurden Ausschnitte aus dem Videoclip von Lenkas ›Everything At Once‹ komplett übernommen und effektiv integriert. Das für die Steigerung des Bekanntheitsgrades von Microsofts Internet Explorer 9 eingesetzte ›Too Close‹ bescherte auch Alex Clare Popularität. 1995 hatte Bill Gates’ Unternehmen Windows 95 mit ›Start Me Up‹ eingeführt – Mick Jagger wollte anfangs nicht einwilligen, doch weil Keith Richards angeblich Geld brauchte, gaben die Stones für drei Millionen Dollar – erstmals in ihrer Geschichte – die werblichen Nutzungsrechte eines ihrer Lieder frei. Die Glimmer Twins kamen dadurch auf den Geschmack, sodass in Folge ›I’m Free‹ den Renault Koleos und ›Paint It Black‹ die Flatrate der Telekom promoten durfte.
Apple wiederum ist seit 1984 der Meinung, dass Musik in der Werbung mindestens 50 Prozent der Wirkung ausmacht. Angesicht dieser Tatsache wurde Vangelis’ ›Chariots Of Fire‹ als MacIntosh-Intro erworben, 1999 untermalte der Stones-Song ›She’s A Rainbow‹ die bunten iMacs. Weitere prominente Musiker, die sich für Apple-Produkte hergaben, sind unter anderem Bob Dylan, The Beatles, Muse (›Sunburn‹), Eminem (›The Real Slim Shady‹), Daft Punk (›Technologic‹), U2 (›Vertigo‹) und Coldplay (›Viva La Vida‹). Bei der Bewerbung von Apples iPods bliesen erst die Fratellis (›Flathead‹), dann Jet (›Are You Gonna Be My Girl?‹) und zuletzt Feist (›1234‹) in die Gehörgänge.
Zeitlose Qualität beweist Eric Claptons Rockklassiker ›Layla‹, von dem Opel bis heute nur das Intro verwendet – Minimalismus, der dank der markanten Melodie völlig genügt. Selbst Pepsi orientierte sich zeitweise an der wirkungsvollen Coca-Cola-Formel – mit einem Unterschied allerdings: Hier setzten die Macher auf einen bereits etablierten Hit. Beispiel: Für die USA durfte Robert Palmer sein ›Simply Irresistible‹ im Pepsi-Sinn singen und schwor damit offiziell dem smarten Champagner-Image ab. Einen kuriosen Sinneswandel bewirkte eine (große) Hand voll Dollars in einem anderen Fall: Der als Whiskey-Liebhaber bekannte Rod Stewart gab sich flexibel, als er im brasilianischen Fernsehen Diet Pepsi anpries. Weshalb sich folgende Frage ganz von selbst beantwortet: Wer hat wohl die große Lateinamerika-Tournee von Rod, The Mod gesponsert?
Tom Waits: Klage gegen Lieddiebstahl
Ein leichter Job ist das Sponsoring allerdings nicht immer, die Verhandlungen mit Musikern gleichen oft einer Gratwanderung. „Ein Musiker ist in erster Linie schließlich Künstler. Er hat Aussagen und identifiziert sich mit seiner Musik, seinen Fans“, betont Christian Timmer. „Man muss deshalb schon im Vorfeld sehr genau ausloten, wie weit er bereit ist, im Sponsoring zu gehen.“ Geldbündel sind zwar hilfreich, aber nicht immer ausreichend. Die völlige Vermarktung der eigenen Person ist in Künstlerkreisen zweifellos umstritten. Grund: Die individuelle Integrität steht zur Disposition. Verständlich, denn um welche Sponsoringvariante es sich auch dreht, beim Schulterschluss zwischen Industrie und Musiker entsteht ein Pakt faustischen Ausmaßes: Einer (der Künstler) verkauft für viel Gold (Geld) dem Teufel (der Industrie) seine Seele. Dieser Ansicht ist – ganz im Gegenteil zu Moby, der sämtliche Songs seiner 2001er-CD PLAY zur Lizenzierung frei gegeben hat! – etwa Tom Waits. Er möchte grundsätzlich nicht, dass seine Lieder irgendetwas bewerben. So hat er mehrfach Prozesse gewonnen, nachdem seine Werke für fremde Zwecke missbraucht worden sind. Der erste Fall ist auf 1988 datiert. Frito-Lay, der zum Pepsi-Konzern gehörende, „weltweit führende Chips-Hersteller“ (Zitat Homepage), wollte einen Waits-Song zur Untermalung seiner Werbung, bekam aber eine Absage. Daraufhin engagierte das US-Unternehmen einen Sänger, der für den Jingle ein der Tom-Waits-Komposition ›Step Right Up‹ sehr ähnliches Lied interpretierte. 2000 hatte Waits Probleme mit Audi in Spanien und 2005 mit Opel in Skandinavien – stets mussten die Verursacher klein beigeben. Zurück zu den Chips: Waits klagte, bekam Recht und 2,3 Millionen US-Dollar Schadensersatz von Frito-Lay. 1993 verwendete der Jeans-Fabrikant Levi’s Screamin’ Jay Hawkins’ Version von Tom Waits’ ›Heartattack And Vine‹. Letzterer zog erneut vor Gericht, bekam wieder Recht und Levi’s entschuldigte sich bei ihm in Form einer ganzseitigen Anzeige im US-Branchenblatt „Billboard“.
Waits & Young contra Werbedeals
Über Künstlerkollegen, die sich an die Industrie verkaufen, macht sich Waits gerne mal lustig. Legendär seine an Michael Jackson gerichtete Empfehlung: „Wenn er für Pepsi arbeiten will, soll er doch ein Büro in deren Zentrale beziehen!“ Und auf den generellen Künstler-Ausverkauf angesprochen, meinte er: „Anscheinend ist das größte Kompliment, das unsere Kultur heutzutage einem Musiker machen kann, ihn in einer Werbekampagne zu zeigen – im Optimalfall möglichst leicht bekleidet. Ich habe eine solche, meines Erachtens nach äußerst fragwürdige Ehre stets abgelehnt.“ Damit ist Waits derselben Meinung wie Neil Young. Der bezog im Titelsong seines Solo-Albums THIS NOTE’S FOR YOU (1988) ganz klar Stellung zu dieser Thematik. Eine Passage des Textes lautet: „Ich sing’ nicht für Pepsi, ich sing’ nicht für Coke, ich sing’ für niemanden und wirke deshalb wie ein Witzbold.“ Höhepunkt des dazugehörigen Videos: Ein Whitney-Houston-Double löscht die brennenden Haare eines Michael-Jackson-Doppelgängers mit dem Inhalt einer Limonaden-Dose…!