33 Jahre nach ihrem Live-Album PARIS veröffentlichen SUPERTRAMP die dazu gehörende Blu-Ray/DVD. Die bis dato unveröffentlichten Filmaufnahmen wurden durch Zufall wiedergefunden.
ls Supertramp im Dezember 1979 die Bühne des ´Pavillon de Paris` betraten, um vor vollem Haus ein wahrhaft geschichtsträchtiges Konzert zu geben (das wenig später als Live-Album PARIS, nicht jedoch als Video-Kassette – dazu später mehr – veröffentlicht wurde), befand sich die Band auf dem absoluten Siedepunkt ihrer Karriere. Gleich vier Superseller-Alben in Folge mit reihenweise beliebter Hitsingles hatten zuvor für weltweite Supertramp-Manie und allgegenwärtige Medienpräsenz gesorgt.
Der internationale Durchbruch war der britischen Band 1974 mit dem Werk CRIME OF THE CENTURIES und dessen Riesenhits ›School‹, ›Dreamer‹ und ›Bloody Well Right‹ gelungen. Mit diesem Album hatten Supertramp die Tür zum Pop-Olymp nicht nur weit aufgestoßen, sondern waren sofort selbstbewusst hindurch geschritten. Die anschließend im Abstand von jeweils etwa eineinhalb Jahre veröffentlichten Werke CRISIS? WHAT CRISIS? und EVEN IN THE QUIETEST MOMENT hielten das kompositorische Niveau des Vorgängers. Im März 1979 folgte dann mit BREAKFAST IN AMERICA die Krönung der Schaffenskraft dieser außergewöhnlich guten Formation. Auf BREAKFAST IN AMERICA gibt es die Radiohits ›Logical Song‹, ›Breakfast In America‹ und ›Take The Long Way Home‹, bis heute unvergessene Popklassiker. „Wir wussten sofort, dass wir eine überdurchschnittlich gute Scheibe produziert hatten“, erklärt John Helliwell, der neben den Köpfen Rick Davies und Roger Hodgson sowie Schlagzeuger Bob Siebenberg zum harten Kern der Gruppe gehörte und neben Chorgesang vor allem diverse Blasinstrumente spielte. Helliwell erinnert sich an eine von Ehrgeiz, viel Arbeit und starken Visionen gekennzeichnete Phase: „Wir waren von England nach Amerika umgezogen, um dichter an unserem wichtigsten Markt zu sein. Amerika inspirierte uns natürlich, und wie immer wurde viel Zeit und viel Arbeit in die Produktion von BREAKFAST IN AMERICA gesteckt. Als die Scheibe fertig war, spürten wir, dass sie ein Riesenerfolg werden würde.“
Zwar traten die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Hauptsongschreibern der Band, Davies und Hodgson, immer deutlicher zutage, doch Ende der Siebziger herrschte noch Burgfrieden im Supertramp-Camp. Die Aussicht auf Erfolg und viel Geld kittete zunächst die sukzessiv entstandenen Risse. „Offener Streit zwischen den beiden herrschte ja auch gar nicht, aber ihre gegensätzlichen Vorstellungen zu bestimmten Fragen wurden halt immer offenkundiger“, erklärt Helliwell. „Roger wollte beispielsweise die zukünftigen Alben in seinem Haus auf dem Land von Nevada aufnehmen, Rick lieber in seinem eigenen Domizil in der Nähe von Los Angeles, also etwa 500 Kilomater entfernt. Ich selbst hielt mich aus diesem Zwist heraus, mir war´s egal, ich hätte mich mit beiden Varianten anfreunden können.“
Auf der Bühne des ´Pavillon de Paris` im Herbst 1979 spürte man von diesen Streitigkeiten nichts. Supertramp präsentierten sich als perfekt aufeinander abgestimmte Einheit, bei der fast jede Nummer der Setliste ein Welthit war. Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Unter den 19 Stücken des Abends gab es mehr als ein Dutzend veritabler Radiohits – welch ein Programm! Kein Wunder also, dass die Live-Scheibe PARIS – quasi ein unter Konzertbedingungen aufgenommenes Best Of-Album – ebenfalls zum Bestseller avancierte und sich bis heute 20 Millionen Mal (!!) verkauft hat. Zumal sich Supertramp seinerzeit wirklich in hervorragender Verfassung befanden: „Für uns waren Konzerte immer die Essenz unseres künstlerischen Schaffens“, erläutert Helliwell. „Der Austausch mit dem Publikum war das, was uns wirkliche Erfüllung brachte. Dementsprechend verantwortungsvoll und sorgfältig gingen wir in unseren Shows zu Werke. Wir fuhren über Monate von einer Show zur nächsten, bereiteten uns den ganzen Tag über konzentriert auf den jeweiligen Abend vor, um den Zuschauern eine möglichst perfekte Show zu bieten. Außerdem wurden Supertramp im Laufe einer Tournee von Abend zu Abend immer besser. Sogar Konzerte, die uns selbst – selbstkritisch wie wir seinerzeit waren – nicht gefallen hatten, waren immer noch überdurchschnittlich gute Performances.“
Weshalb die Pariser Shows damals nur als Tonträger, nicht aber als Konzertfilm veröffentlicht wurden, kann heute keiner mehr so genau nachvollziehen. Helliwell: „Ich erinnere mich nur noch daran, dass man uns 1980 zwei Promotion-Videos mit ›Logical Song‹ und ›Breakfast In America‹ vorführte, die bei der Show in Paris aufgezeichnet wurden. Anschließend hörten wir lange Zeit nichts mehr von diesen Filmaufnahmen, es schien, als ob die Bänder verloren gegangen seien.“ Ob verloren oder bewusst unter Verschluss gehalten – heute kennt keiner mehr die Gründe für das Fehlen des historisch durchaus wichtigen Materials.
Glücklicherweise wollte es der Zufall, dass 2006 in der Scheune von Schlagzeuger Siebenberg in Südkalifornien eine Kopie des Films entdeckt wurde. Dem Fundort entsprechend waren die Aufnahmen in völlig verdrecktem Zustand und wurden über mehrere Jahre von Regisseur Peter Clifton, der auch schon den Led Zeppelin-Konzertfilm THE SONG REMAINS THE SAME erfolgreich bearbeitet hatte, mühselig restauriert und durch Supertramps früheren Toningenieur Peter Henderson auch klanglich aufgewertet.
Dass die Veröffentlichung von LIVE IN PARIS ´79 offenbar ohne Zustimmung von Rick Davies und Rodger Hodgson zustande kam und von Hodgson als „illegale und unmoralische Methode“ bezeichnet wird, schmälert für Helliwell nicht das Vergnügen an dieser Blu Ray/DVD: „Ich muss immerzu lächeln, wenn ich die Aufnahmen sehe“, sagt er, „wir waren damals zwar jung und unerfahren und sahen überdies wie Hippies aus, aber musikalisch waren wir bereits erfahren genug, um wirklich tolle Songs zu schreiben und Konzerte auf hohem technischen Niveau zu geben.“ Sicherlich sei er heutzutage ein noch besserer Musiker als vor 33 Jahren, findet Helliwell, aber: „Die besondere Magie, die von unseren Songs ausgeht, hängt sicherlich auch mit einer gewissen Naivität und Unschuld zusammen. Erfahrung ist in der Musik nun einmal nicht alles – Unbekümmertheit und jugendlicher Elan fördern oft Dinge zutage, auf die man in höherem Alter wohl nicht mehr kommen würde.“
Das breiteste Grinsen bekommt Helliwells Gesicht allerdings beim Entdecken der schrillen Bühnengarderobe, die er 1979 in Paris trug: „Die drei Jacken damals waren wirklich kurios, vor allem die zwei, die ich gegen Ende der Show anhatte. Ich glaube, wenn ich sie heute noch besitzen würde, könnte man damit sehr gutes Geld für wohltätige Zwecke erzielen.“