Auch lebende Legenden haben so ihre Probleme. Damit sei nicht auf das turbulente Liebesleben des Ex-Beatles angespielt, sondern eher auf die Tatsache, dass man als Künstler, – der wohl wie kein Zweiter eine Revolution nicht nur in der Musik, sondern der gesamten Popkultur mit in Gang ge-bracht hat – für immer an diesen Großtaten gemessen, während das weitere kreative Schaffen kaum wahrgenommen wird. Klar, es gibt natürlich Schlimmeres als hundertfacher Multimillionär zu sein, aber Paul McCartney dürfte nicht immer darüber erfreut sein, dass sein Publikum hauptsächlich Evergreens hören will und seine jüngeren Stücke mit Höflichkeitsapplaus durchsinkt.
Dennoch steht nun schon sein 15. So-loalbum in den Startlöchern, und das be-gegnet diesem Dilemma mit einem Ausfallschritt. KISSES ON THE BOTTOM ist nämlich kein neues Material des 69-Jährigen, sondern eine Sammlung von neu eingespielten Standards, die teilweise lange vor den Beatles-Klassikern entstan-den. Leichtfüßiger Mitwipp-Schunkelpop ist hier also nicht zu erwarten, sondern eher introspektive, zeitlose Songwriter-Kunst, die zu richtigem Zuhören auffordert. Dass dabei Schwergewichte wie Eric Clapton und Stevie Wonder mitwirkten, schraubt den Ehrfurchtsfaktor noch weiter in die Höhe. Nicht, dass das wirklich notwendig wäre, denn lebende Legenden können sich auch heute noch auf den harten Kern ihrer Fanbase verlassen, wenn es darum geht, Platten in signifikanten Stückzahlen abzusetzen.