Allen Songs auf dem neuen Album der unerschütterlichen Psychrocker The Dandy Warhols liegt ein Metal- oder Punk-Riff zugrunde. Von dort aus entwickeln sich die Stücke weiter, dabei geholfen haben mit Debbie Harry, Slash und Frank Black drei große Namen.
Stell dir vor, du gewinnst Frank Black von den Pixies als Gastgitarrist auf einem deiner Tracks – doch dann schickst du ihm aus Versehen den falschen Song. Schön doof. Zumal Frank Black nicht gerade als der geduldigste Mensch der US- Rockszene gilt. Entsprechend geschockt war Peter Holmström, Gitarrist der Dandy Warhols, als er bemerkte, dass er Black den Power- und Glamrocktrack ›Love Thyself‹ geschickt hatte. Was der Pixies-Chef dazu spielte, war super, Problem nur: Im Arrangement des Stücks gab’s überhaupt keinen Raum mehr für eine zusätzliche Gitarre, es war komplett fertig. Anders bei ›Danzig With Myself‹: Hier war eigentlich Frank Black vorgesehen – das Stück hätte ohne dessen Spiel eine gewaltige Lücke gehabt. Was also tun? Courtney Taylor-Taylor, Sänger, Zweitgitarrist und Chef der Gruppe, berichtet im Interview mit leiser Schadenfreude davon, wie sein gute Freund und Bandkollege Peter Halmström ihm sein Missgeschick beichtete. „Ich sagte ihm: Wir müssen es noch mal probieren.“ Also eine erneute Mail ans Management von Black: Sorry, das war der falsche Track, hier der richtige. „Ein paar Tage später kam der Gitarrenpart für ›Danzig With Myself‹ zurück, und was soll ich sagen: Er hat die Erwartungen übertroffen.“ Nun haben die Dandy Warhols sogar zwei Gastfeatures von Frank Black auf ihrem neuen Werk. „So wird aus einem Missgeschick eine Win-win-Situation“, sagt Courtney Taylor-Taylor – und hat gut lachen. ROCKMAKER ist das erste konventionelle Album der Dandy Warhols seit fünf Jahren, unterbrochen nur von einer dreieinhalbstündigen Experimentalplatte mit Instrumentalmusik für Dinnerpartys, auf denen mehr gereicht wird als guter Wein. Ende der 90er- und Anfang der 00er-Jahre waren die Psychrocker aus Portland das heßeste Ding der weltweiten Alternative-Rock-Szene: Ihre Platten THE DANDY WARHOLS COME DOWN und THIRTEEN TALES FROM URBAN BOHEMIA sind Bestseller, die Single ›Bohemian Like You‹ entwickelte sich zu einem der prägenden Rocksongs der frühen 00er- Jahre, angefeuert von Werbeeinsätzen.
The Dandy Warhols waren damals Vorreiter der Neo-Garagerock-Bewegung. „Jedoch sind wir keine Typen, die Lust haben, mitzuschwimmen“, stellt der Chef der Band klar, weshalb die Gruppe 2003 weg vom Rock ging, hin zu New Wave und Synthiepop: „Niemand ging davon aus, dass die Platte WELCOME TO THE MONKEY HOUSE ein Erfolg werden könnte. Nun, sie lagen alle falsch.“ Seitdem ignorieren die Dandy Warhols das Trendradar. Eine Strategie, die sie manches Mal in eine Sackgasse führte – die Spacerock-Werke Ende der 00er gerieten ziemlich spannungsarm. Nun aber könnte die Band erneut ein Momentum haben. „Allen unseren erfolgreichen Platten liegt eine übergeordnete Strategie zugrunden, zum Beispiel: Alle spielen Rock, wir Synthiepop.“ Für ROCKMAKER hat die Gruppe dieses Konzept erneuert, die Idee dieses Mal: „Jeder Track hat als Basis ein Metal- oder Punk-Riff“, erklärt Courtney Taylor-Taylor. „Auf dieser Grundlage darf er sich frei weiterentwickeln, bevorzugte Richtung: sexy und wild.“ Neben Frank Black ließen sich die Dandy Warhols von zwei anderen großen Namen der Szene helfen. Auftritt Debbie Harry von Blondie, die bei ›I Will Never Stop Loving You‹ den weiblichen Part übernimmt und Courtney Taylor-Taylor dazu bringt, in den Iggy-Pop- und Serge-Gainsbourg-Modus zu schalten. Und: Auftritt Slash. Der spielt auf ›I’d Like To Help You With Your Problem‹ eine Wah-Wah-Gitarre aus dem 70s-Psychrock-Himmel. „Was für ein Wahnsinns gitarrist Slash ist, wussten wir. Aber so, wie er hier spielt, haben wir ihn noch nie gehört. Es ist ein Ereignis!“ Eine Frage zum Abschluss: Ist der Titel ROCKMAKER ein heimlicher Tribut an Toto, die 1978 einen Song dieses Namens auf ihrem Debüt hatten? Taylor-Taylor schaut entgeistert: „Toto haben ein Lied geschrieben, das ‚Rockmaker‘ heißt? Ha! Keine Band ist so weit von der Idee, die wir von Rock haben, entfernt wie Toto.“ Wie die Chancen stehen, dass Steve Lukather ein zukünftiger Überraschungsgast ist? „Null“, sagt der Dandy-Warhols-Chef, was in der Gaga-Logik dieser Gruppe bedeutet: gar nicht mal so schlecht. (Aus CLASSIC ROCK #128)