Gerade wo Kiss ihren Abschied im New Yorker Madison Square Garden feierten, kündigt Spaceman Ace Frehley sein neues Studioalbum 10.000 VOLTS an. Zufall oder ein clever gewählte Marketingstrategie? Man weiß es nicht genau, so oder so jedoch legt der Weltraum-Liebhaber eine elektrifizierende Rockplatte voller knackiger Riffs, eingängiger Vocal-Lines und schlichter, aber nicht tumber, Lyrics vor, die mehr als deutlich macht, dass Frehley im Gegensatz zu seiner Ex-Band noch lange nicht ans Aufhören denkt. 10.000 VOLTS ist ein richtiger Kracher und reiht sich qualitativ nahtlos an seine letzten Scheiben mit Originalmaterial, SPACE INVADER (2014) und SPACEMAN (2018), ein. Klar, dass wir da eine heiße Leitung nach Amerika verlegen und alles über sein neuestes Werk wissen wollen. Frehley jedoch scheint gar keine Lust zu haben auf ein lineares Frage-Antwort-Spiel und sinniert in seinem Studio in Milchstraßen-Optik gut gelaunt vor sich hin: Über seine Verlobte, seine deutschen Verwandten, seine Blutwerte, ein paar Schwierigkeiten mit dem Gesetz und natürlich über die „hottest band in the world“, der er einst angehörte. Und nach ein paar Lenkversuchen lässt man ihn schließlich einfach gewähren – gegen den Spaceman hat man eh keine Chance.
Wie erging es dir in den letzten Jahren, seit deine Coverplatte ORIGINS VOL. 2 im Jahr 2020 erschienen ist?
Mit den Arbeiten zu 10.000 VOLTS habe ich ungefähr vor 13 Monaten angefangen. Vor etwa sieben Monaten habe ich Steve Brown [Songwriter, Produzent und u.a. Gitarrist von Trixter] ins Boot geholt – wir kollaborieren auf den meisten der Songs, außer auf dem Cover, ›Life Of A Stranger‹ und… ach, was weiß ich, ich kann mir ja nicht mal merken, was ich gestern gemacht habe, wie soll ich mir da so etwas merken. (lacht) Seit die Single erschienen ist, hört mein Handy nicht mehr auf zu klingeln. Die ganze Welt schreibt mir. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was erst passieren wird, wenn die komplette Platte draußen ist.
Das ist doch etwas sehr Gutes, nicht?
Ja schon, aber so viel Aufmerksamkeit bin ich nicht gewohnt. Wie heißt du gleich nochmal?
Jacqueline, du kannst auch gerne Jacky zu mir sagen…
Ahja. Ich kann mir Namen echt gar nicht merken, deswegen schreibe ich mir das mal auf.
Auf 10.000 VOLTS geht es viel um Liebe und Mädels. Sind diese Themen zeitlos?
Im Rock’n’Roll kommst du da nicht drum herum. Sex, Drugs und Rock’n’Roll. Den Alkohol und die Drogen hab ich hinter mir gelassen, aber die Musik und die Frauen, die bleiben. (lacht) Wobei ich ja jetzt mit einer wunderbaren Frau verlobt bin, Lara, die sich den Titel zum Song ›Constantly Cute‹ einfallen hat lassen. Außerdem übernimmt sie den Backgroundgesang in manchen Songs, weswegen sie auch im Innensleeve des Artworks zu sehen ist. Gott sei Dank bin ich meine verrückte Exfreundin Rachel los, die verklagt mich immer noch, weil sie Geld will. Naja, gefällt dir mein Studio? [zeigt mit dem Arm auf den Raum hinter ihm]
Ich habe mich schon gefragt, ob das echt ist oder ein Zoom-Hintergrund! (lacht)
Nein, das ist alles echt und von mir selbst designt. Die Sterne an der Decke, das Universum an den Wänden, die Lichter und natürlich 55 Gitarren. Irgendwo anders im Haus stehen nochmal 75 Stück herum, ich habe ja 8000 Quadratmeter hier, das ist kein Problem. Weißt du, gestern hatte ich auch schon ein Interview. Der Typ meinte: ‘Ace, du bist jetzt 72 Jahre alt und immer noch voll dabei.’ Und das stimmt. Seit ich vor 17 Jahren clean wurde, hat sich mein Leben komplett verändert. Ich bekam einen neuen Plattenvertrag – Verträge, um genau zu sein – veröffentlichte zahlreiche Alben…
Wie fühlt es sich an, dass Kiss gerade aufgehört haben und du deine nächste Platte rausbringst?
Ich bin froh, dass sie in Rente gehen. Jetzt wollen sie ja mit so Avataren weitermachen, was ich nicht ganz verstehe, das hat doch nichts mit Rock’n’Roll zu tun. Wenn ich einen Film sehen will, schaue ich mir einen Film an. Aber gut. (lacht) Vor sieben Monaten oder so luden sie mich und Peter ja ein, um mit ihnen im Madison Square Garden aufzutreten.
War das eine echte Einladung oder eher in der Öffentlichkeit so dahingesagt?
Ach, das war eine Lüge! Weder Peter noch ich haben jemals von Paul oder Gene gehört. Das haben sie doch nur gemacht, um mehr Tickets zu verkaufen. Einen Monat vor der Garden-Show lästerten sie bei Howard Stern total über uns ab. Von wegen, wenn wir dabei wären, könnte man die Band ja gleich „Piss“ nennen. Ich bin echt durch mit denen. (lacht) Eigentlich wollte ich nicht, dass es so zu Ende geht. Ich habe Paul sogar eine Nachricht kurz vor der Show geschrieben. Ich wünschte ihm alles Gute für das Konzert, doch er hat nie geantwortet.
Du bist also froh, dass Kiss aufgehört haben?
Wenigstens muss ich mir jetzt nicht mehr Tommy anhören, wie er meine Soli für sich beansprucht. Er hat einfach nicht das richtige Feeling dafür. Natürlich ist er kein schlechter Gitarrist und er spielt auch die richtigen Noten, aber es ist einfach nicht dasselbe. Naja, Jacky, wo genau bist du denn gerade?
In der Nähe von München!
Oh! Ich habe ja deutsche Wurzeln. Meine Mutter ist halb deutsch und mein Vater auch. Zusammengerechnet bin ich also auch zu 50% deutsch. Mein Großvater kommt aus Rügen, er war wohlhabend, doch während des Krieges verlor er alles und kam schließlich in die Staaten. Hier arbeitete er als Bauer, meine Mutter wuchs in South Carolina auf. Ich besuchte meine Familie dort oft, doch irgendwann hieß es: ‘Schneid dir die Haare oder komm nicht wieder her.’ Also hatte sich das dann für mich erledigt. (lacht) Die sind ja jetzt auch alle gestorben. Ich kann gar nicht glauben, wie viele Menschen alleine in den letzten fünf Jahren gestorben sind. Mein Arzt meinte letztens zu mir, dass meine Blutwerte immer besser werden – ich bin der einzige Patient in seiner Praxis, bei dem das so ist. Ich werde scheinbar immer jünger. (lacht)
Du bist also ein medizinisches Wunder?
(lacht) Sieht so aus. Ich halte mich gut. Meine Verlobte Lara ist Fitnesstrainerin. Wir trainieren zusammen, wir ernähren uns gut, ich habe 40 Pfund abgenommen. Jetzt habe ich dieselbe Figur wie damals bei der Kiss-Reunion-Tour. Ich würde also noch in all die Kostüme passen, aber jetzt haben sie ja eh aufgehört. Doch Gott sei Dank habe ich eine tolle Platte am Start und werde viel unterwegs sein. Hoffentlich kann ich auch nach Europa kommen – leider habe ich Schwierigkeiten damit, meinen Ausweis zu erneuern. Ich habe Probleme mit dem IRS [Internal Revenue Service. Anm. d. Red.] und bis das geklärt ist, kann ich das Land nicht verlassen. Irgendwie ist es mir jedoch möglich, eine Cruise auf den Bahamas mitzumachen und sogar von Bord zu gehen, ich muss jedoch den Kabinenschlüssel und meine Geburtsurkunde dabeihaben. Keine Ahnung. Ich frage ja gar nicht mehr, ich mache einfach, wenn das Geld und die Umstände stimmen.
Wenn ich mir all deine Gitarren so anschaue: Wann hast du zum ersten Mal Gitarre gespielt?
Mit 13 Jahren. Ziemlich genau an Weihnachten vor 50 Jahren schenkte mir mein Dad eine Gitarre. Ich liebe es immer noch, aufzunehmen, live zu spielen, Musik zu machen, kreativ zu sein. Auch wenn die neuen Songs zusammen mit Steve Brown entstanden sind, habe ich den Großteil der Texte geschrieben. Die Solos, die Vocals. Weißt du, woher der Song ›Life Of A Stranger‹ kommt? Wenn nach dem Film „The Transporter“ mit Jason Statham die Credits eingeblendet werden, läuft ein Song namens ›Life Of A Stranger‹, eine Art Techno-Rock-Nummer ohne heavy Gitarren und so. Doch die Melodie und der Texte sind fantastisch, also habe ich das adaptiert. Ich war gar nicht sicher, ob ich das überhaupt singen kann, aber ich finde, der Song ist fantastisch geworden. Der andere verrückte Song auf dieser Platte entstand vor 40 Jahren, er heißt ›Back Into My Arms Again‹.
Warum hat es 40 Jahre gedauert, bis der Song auf einem Album auftauchte?
Es gibt ein scheußliches Demo davon auf Youtube. Als Steve es hörte, meinte er: ‘Das ist ein großartiger Song, den müssen wir machen!’ Auf ›Cherry Medicine‹ singt Lara mit – das ist sie übrigens [zeigt ein Foto von seiner Verlobten]. Sie ist 54, sieht aber auch wie 34. Andere Frauen in ihrem Alter sehen uralt neben ihr aus. Morgen ist unser fünfjähriges Jubiläum.
Hast du was Spezielles geplant?
Wir fahren ein paar Tage nach Vegas, ich werde sie zum Essen ausführen. Irgendwie habe ich es noch nicht geschafft, einkaufen zu gehen. Es ist so viel los, gefühlt zerren die Leute überall an mir. Ich soll Autogramme geben, ins Radio, dann muss ich mit meinem Label verhandeln, weil die wollen, dass ich eine Live-Platte veröffentliche und nicht, wie abgemacht, ORIGINS VOL. 3. Ich glaube, das ist keine gute Idee. Alle nehmen die Shows mit ihren Iphones auf, das ist doch nichts Besonderes mehr. Wie kommt das denn rüber, wenn man die Live-Mitschnitte zuhause noch overdubbt und verschönert, wenn jeder die Rohversion auf dem Handy hat? Gut, dass es in den 70ern keine Handys gab, sonst wäre ich jetzt im Knast. (lacht) In den Anfangstagen von Kiss war unser Make-Up wirklich ein Segen, weil niemand wusste, wie wir wirklich aussehen. Außer wenn du ein schönes Mädel im Club trafst und ihr erzähltest: ‘Ich bin Ace Frehley von Kiss’. Das hat dir keine geglaubt. (lacht)
In deinem neuen Song ›Blinded‹ äußerst du dich ja kritisch zum Thema Technologie und Fortschritt.
Genau, da geht es um Künstliche Intelligenz. Ich bin echt besorgt darüber, dass die KI sich zu schnell entwickelt und sich am Ende ihrer selbst bewusst wird. Generell ist die Welt am Durchdrehen. Kriege, Israel, das Wetter – alles wie in der Offenbarung in der Bibel. Ich bin ja praktizierender Christ und versuche, einen Schritt nach dem nächsten zu gehen. Mehr bleibt einem ja nicht übrig, auch wenn bei mir natürlich viel passiert ist. Manchmal wirkt mein Leben wie ein Film.
Ein Biopic über Ace Frehley würde Sinn machen, oder?
Achja, da gibt es schon einige Angebote. Am liebsten wäre mir natürlich, Scorsese würde das übernehmen. Und der Junge, der „The Flash“ spielt, sollte mich in jungen Jahren mimen. (lacht)
Was wünscht du dir für 10.000 VOLTS?
Ich denke, es wird sich genauso gut machen wie mein erstes Soloalbum aus dem Jahr 1978. Außerdem werde ich ein zweites Buch veröffentlichen, ich habe so viele Geschichten impetto, ich könnte ganze Bände füllen. Das einzige Problem: Ich bin verdammt faul! (lacht)
Der Typ ist halt einer vom ,, alten Rock- Star – Schlag ,, gradlinig, kantig und auf seine Art mir höchst sympathisch.
Ein Ur-Typ von Rock – Musiker und hervorragender Guitar – Player und Song -Schreiber………..Ein ,, Guter ,, aus den edlen1950ziger Jahrgängen ( Zähle mich selbst zu diesen 🙂 )