Fantastische Coverversionen von teils vergessenen Soul-Klassikern
David Ruffin, Levi Stubbs, Diana Ross, Ben E. King: ein paar der größten Sänger aller Zeiten. Wer deren Lieder covert, ist entweder größenwahnsinnig – oder er ist Bruce Springsteen. Und mit 73 immer noch der kleine Junge, der seine Soul-Helden verehrt. In den 70ern hat Springsteen zusammen mit Little Steven Songs für Soulrocker Southside Johnny geschrieben. Ganz so direkt wie der wollte er seine Liebe zu dieser Musik nicht ausleben. Aber in seinen größten Werken (von NEBRASKA vielleicht mal abgesehen) steckten die überbordende Romantik, die verzweifelte Sehnsucht des Soul immer genauso sehr drin wie andererseits Bob Dylan, Chuck Berry oder Elvis. Und hier liegt auch der Unterschied zum Westküsten-Pop auf WESTERN STARS von 2019, der ihm ja nie so nah war wie zum Beispiel die Soul-Klassiker ›I Wish It Would Rain‹, ›7 Rooms Of Gloom‹, ›What Becomes Of The Brokenhearted‹, ›Someday We’ll Be Together‹ – oder auch heute weniger Bekanntes wie ›Soul Days‹ von Dobie Gray oder William Bells wundervolles ›I Forgot To Be Your Lover‹. Wer also meint, dass das hier das Album eines Künstlers ist, dem gerade nichts Eigenes ein- fällt und der aus Verlegenheit die Lieder von anderen spielt, der hat von Bruce Springsteen nie etwas verstanden. Ähnlich wie bei den Stones mit BLUE & LONESOME ist ONLY THE STRONG SURVIVE eine Rückversicherung, eine Rückkehr zu einem der Kraftzentren des eigenen Schaffens. Die Songvorlagen mit ihren Streichern, ihren Bläsern, ihren Background-Chören wurden nicht radikal umgestaltet, und es geht auch nicht darum, die eigenen Vorbilder zu übertrumpfen, das wäre unmöglich. Was zählt, ist die schiere Freude an diesen Liedern. Und dass man alles in sie hineinsteckt, was man hat. Um dann halt zu scheitern oder zu triumphieren. Und diese Aufnahmen hier sind eindeutig ein Triumph.
8 von 10 Punkte
Bruce Springsteen
ONLY THE STRONG SURVIVE
COLUMBIA/SONY