Zwölf Monate, hunderte von neuen Alben, tausende von Songs – gute, schlechte, grandiose Stücke.
Wer kann da den Überblick behalten? Gut, dass es die CLASSIC ROCK-Redaktion gibt! Wir haben uns auf
Zeitreise begeben, uns für euch angestrengt erinnert, haben gesammelt, recherchiert, diskutiert, bewertet und auch gekämpft. Das ist dabei herausgekommen: die 50 besten Alben des Jahres 2021!
Texte: Jacqueline Floßmann, Henning Furbach, Matthias Jost, Simone Müller, David Numberger, Paul Schmitz, Markus Werner.
Platz 20: Deep Purple – TURNING TO CRIME
Man ist ja schnell geneigt, Coverplatten grundsätzlich abzulehnen, weil man sich denkt: „Keine Lust auf
richtige Arbeit gehabt, wa?“ Im Falle von Deep Purples TURNING TO CRIME wäre das jedoch vorschnell
geurteilt. Das Album ist eine respektvolle Hommage an die eigenen Vorbilder und enthält Stücke von Arthur Lee, Cream, Fleetwood Mac sowie das abschließende, wirklich gelungene ›Caught In The Act‹-
Medley. Purple zollen ihren Tribut ehrlich hochkarätig.
Anspieltipp: ›Caught In The Act‹
Platz 19: The Tea Party – BLOOD MOON RISING
Bei einer so wirren Entstehung, kreiert auf zwei Kontinenten und zusammengesetzt aus zwei separaten EPs plus Bonus-material, könnte man ein durchwachsenes Stückwerk erwarten. Doch die Kanadier zeigen erneut ihre erhabene Klasse mit einem Werk, das sämtliche Arabesken und Elektronikausflüge der
Vergangenheit außen vor lässt und einfach hochprozentigen und gut abgehangenen Rock’n’Roll der blues-basiert-erlesenen Sorte raushaut. Eine runde Sache!
Anspieltipp: ›Sunshower‹
Platz 18: Nathaniel Rateliff & The Night Sweats – THE FUTURE
Nachdem Nathaniel 2020 auf seinem Solo- und dem dazugehörigen umwerfenden Livealbum 2020 finsterste Schicksalsschläge verarbeitete, wagt er jetzt, wieder mit den Night Sweats an seiner Seite, in die Zukunft zu blicken. Die Musiker schaffen es, aus dem bewährten Soul-Baukasten immer wieder frische Sounds und Ideen zu ziehen, die ganz besonders auf THE FUTURE einen aufregenden Rahmen für Rateliffs leidenschaftliches Songwriting und seinen bärenstarken Gesang bilden. Ungezwungen, unaufgeregt und dabei so prickelnd.
Anspieltipp: ›The Future‹, ›Baby I Got Your Number‹
Platz 17: Robert Plant & Alison Krauss – RAISE THE ROOF
14 Jahre nach ihrer ersten Zusammenarbeit haben es Robert Plant und Alison Krauss noch einmal
getan. Trotz einiger vorangegangener Anläufe fühlte es sich erst jetzt richtig an, einen Nachfolger
für den Überraschungserfolg von RAISING SAND aus dem Jahr 2007 anzugehen. Wie gut das Hardrock-Urgestein und die Country-Fiedlerin harmonieren, lässt sich an den mit viel Gespür für Nuancen aufgenommenen Neuinterpretationen ablesen, die sich stilistisch allesamt im Spannungsfeld zwischen
Country, Americana und Folk bewegen.
Anspieltipp: ›The Price Of Love‹
Platz 16: Sturgill Simpson – THE BALLAD OF DOOD & JUANITA
Immer was Neues mit Sturgill. Dieses Jahr entschied sich der Revoluzzer/Erztraditionalist in allen Country-Belangen für ein staubtrockenes Bluegrassalbum. Die zehn Songs von THE BALLAD … folgen
einer Western-Rahmenhandlung: Dem Farmer Dood wird seine Liebste Juanita entführt, er macht sich mit Hund, Muli und Flinte auf die Jagd nach dem Schurken. Bluegrass-Kopfkino in Sepia, von famosen Könnern eingespielt.
Anspieltipp: ›Go In Peace‹
Platz 15: My Morning Jacket – MY MORNING JACKET
Als selbstreflektierter Musikliebhaber muss man – selten zwar, aber doch manchmal – gegenchecken, wie ein Werk so in der Kritikerschaft ankam, nachdem es einen persönlich Nummer für Nummer umgehauen
hat. MY MORNING JACKET, schon das neunte aber erst jetzt selbstbetitlte Album der Band, kam ganz gut an; intellektuelle Kreise, die die Band zuvor schon am Ende gesehen hatten, zeigten sich immerhin recht zufrieden. Alles Dummschwätzerei, ehrlich. My Morning Jacket 2021 ist kreative Radikalität, Rock’n’Roll-Größenwahn, traumhafter Kitsch, die Leichtigkeit, sich an der richtigen Stelle darüber lustig zu machen und so vieles mehr.
Anspieltipp: ›Penny For Your Thoughts‹ u.v.m.
Platz 14: Jerry Cantrell – BRIGHTEN
Dass Cantrells Alben unter eigenemm Namen im Wesentlichen Alice-In-Chains-Werke waren, für die Layne Staley zu krank war, konnte er bei den ersten beiden nicht leugnen. Dann war Staley leider für alle weiteren AIC-Werke zu tot, die dennoch wundersamerweise an die 90er-Monumente anschließen konnten. Der dritte Soloausflug des Gitarristen hat nun zum Glück nichts mit William DuValls Gesundheit zu tun und scheint generell frei aller dunklen Wolken zu sein: Nein, Happy-Pop ist BRIGHTEN deshalb
nicht, aber so ungezwungen, ausgelassen und befreit klang die Seattle-Legende nur selten. Das Niveau der Songs ist dabei auf gewohnt allerhöchstem Niveau und man fragt sich nach nunmehr 30 Jahren ohne einen einzigen Durchhänger in seiner Diskografie mehr denn je, warum dieser Mann nicht weithin als einer der größten Songwriter der Rockgeschichte gefeiert wird.
Anspieltipp: ›Nobody Breaks You‹
Platz 13: Charley Crockett – MUSIC CITY USA
„Ich bin ein sehr rebellischer Mensch. Meine Rebellion zeige ich allerdings, indem ich die Tradition in den Vordergrund stelle.“ Charley Crockett, geboren 1984, hat sich und seine Musik, die ehrlich und aufrichtig wie er selbst ist, sehr gut beschrieben. Im Country- und Americana-Zirkus heutiger Tage spielt er weder das nostalgische Retro- noch das absurd moderne Synthetik-Blatt. Crockett mit rasselnd weicher, sonorer
Stimme klingt wie einer der großen aus den goldenen Zeiten der Outlaw-Musiker. Wie die knallharten, cleveren, schrägen Geschichten, die er erzählt, ist sein Sound aber nicht aufgesetzt, er ist einfach wahr. Wahrer als bei so manchem Mann in Schwarz. Er war obdachloser Musiker in den Straßen von New Orleans, Los Angeles und der U-Bahn von New York, doch der natürliche Soul in seiner Country Music
brachte ihn bis in die Grand Ole Opry. MUSIC CITY USA ist Crockets zehntes Album in nur sieben Jahren und das, wo er, wie CLASSIC-ROCK-Autor Gunther Matejka in diesem Jahr so passend schrieb, „mit jeder Veröffentlichung noch besser wird“.
Anspieltipp: ›I Need Your Love‹, ›Lies And Regret‹
Platz 12: Foo Fighters – MEDICINE AT MIDNIGHT
Mal ganz ehrlich unter Foo-Fi-Freunden: Zuletzt waren die Alben von Grohl und Band eher gut, solide. Klar, etwas Schlechtes kam noch nie von ihnen. Etwas Besonderes war das zuletzt aber auch nicht. Vielleicht lag es an Grohls unbremsbarer Output-Sucht. Dies jedoch würde nicht erklären, warum er
ausgerechnet in der Phase, in der er zeitgleich für ein Buch inklusive Lesetour, einen Film und ein Disco-Spaßalbum verantwortlich zeichnete, auch noch die beste Foo-Fighters-Platte seit WASTING LIGHT (2011) zustande brachte. ›Waiting On A War‹, ›Love Dies Young‹ oder ›Shame Shame‹ versetzten die Synapsen auf Knopfdruck in Richtung vergangener Mitgrohl…, äh Mitgröl-Konzerte im Stadionformat. Und dafür sind die Foo Fighters ja schließlich da, hoffentlich auch in baldiger Zukunft wieder.
Anspieltipp: ›Waiting On A War‹
Platz 11: Greta Van Fleet – THE BATTLE AT GARDEN’S GATE
Wer gleich zu Beginn seiner Karriere einen Grammy einheimst, der steht unter einem enorm großen Druck. Doch das kleine Familienunternehmen aus Michigan hat sich davon nicht aus der Ruhe bringen
lassen. Album Nummer zwei geht noch einen Schritt weiter als das grandiose Debüt, klingt erwachsener,
durchdachter, innovativer. Die Kompositionen sind orchestraler und bombastischer, aber streckenweise
auch gefühlvoller. Greta Van Fleet liefern hier den Beweis: Sie sind keine Eintagsfliege.
Anspieltipp: ›Broken Bells‹