Juni 1975: Fulminantes LP-Debüt mit der Hymne ›White Punks On Dope‹ erscheint
Als die Nina Hagen Band 1978 mit ›TV-Glotzer‹ für Furore sorgte, wiederholte sich ein fataler Pop-Irrtum: Man etikettierte auch die Hagen Band fälschlicherweise als Punk. Tatsächlich erwies sich der ›TV-Glotzer‹ als mit Synthie- und Jazz-Fusion-Impressionen garnierter lupenreiner Rock’n’Roll. Drei Jahre zuvor widerfuhr den eigentlichen Urhebern mit ihrem Original ein nahezu identisches Schicksal: Die Auskopplung ›White Punks On Dope‹ aus dem fulminanten LP-Debüt von The Tubes fiel bei den meisten US-Radiostationen wegen des Wörtchens „Punk“ (im angloamerikanischen Sprachraum negativ konnotiert) und der wild-wüsten Optik des Septetts aus San Francisco in Ungnade. Ursprünglich zwei Bands aus Phoenix, Arizona, die es um 1969/70 in die Bay Area verschlug, demonstrierten Fee Waybill (Vocals), Bill Spooner (Gitarre, Vocals), Roger Steen (Gitarre, Vocals), Michael Cotten (Synthesizer), Vince Welnick (Keyboards), Rick Anderson (Bass) und Prairie L’Emprere Prince (Drums) schon beim Karrierestart 1972 außerordentliche Talente: Ob nun Jazz-Fusion oder Lateinamerikanisches, ob lupenreiner Rock’n’Roll, Artrock, Funk oder Soul: Kein Genre schien vor diesen erlebnishungrigen Virtuosen sicher.
Zumal The Tubes im Rampenlicht auch noch ausgefuchstes Rocktheater zelebrierten: Auf ellenhohen Plateaustiefeln in knappster Kostümierung überspitzte Frontmann Waybill schrill die Popkultur als sexualisierter wie omnipotenter Rockstar Quay Lewd. THE TUBES, produziert von Al Kooper, parodierte nicht nur, sondern stieß auch geistige Horizonterweiterung an: ›What Do You Want From Life?‹, die zweite vom US-Radio verschmähte 45er, stellte weltweit an Teens und Twens die essenzielle Existenzfrage. ›Mondo Bondage‹ konfrontierte die Anhängerschaft mit Freud und Leid von S/M. In ›Boy Crazy‹ analysierten sie Sexsucht.
Und die damalige Gay-Hauptstadt San Francisco spiegelte sich ebenfalls in diversen Songs wider. Per Mundpropaganda sowie via Live-Auftritte wurde THE TUBES nach seiner Veröffentlichung im Juni 1975 promotet. Im Jahr 1977 platzierte sich das geschmähte ›White Punks On Dope‹ immerhin in den UK-Top-30.