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Slade: Titelstory – Komm und spür den Lärm!

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Slade: Titelstory – Komm und spür den Lärm!

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Von umjubelten Popstars im Rolls-Royce hin zum nostalgischen, von Kaffeemarken gesponserten Oldie-Act: Die Geschichte von Slade ist mindestens so bunt wie ihre Outfits. Aus einfachen Arbeiterverhältnissen stammend, eroberte das Quartett mit seinen stampfenden Rhythmen undeingängigen, doch nicht einfältigen Pop-Rock-Hits die Welt im Sturm. Zwischen 1971 und 1976 landeten alle ihrer Singles inden britischen Top 20, sechs davon schafften es auf Platz 1. Eine unfassbare Serie, die nur kurze Zeit später von einer beinahe alles vernichtenden Dürreperiode abgelöst werden sollte. Im Rahmen der neuen Best-of-Sammlung CUM ON FEEL THE HITZ rekapitulieren der ehemalige Frontmann Noddy Holder (N) und Gitarrist Dave Hill (D) in einem knapp vierstündigen Interview die mit Anekdoten gespickte Historie jener Truppe, der das kollektive Gedächtnis der Rockmusik bisheute irgendwie zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. [Ein Beitrag aus unserem Archiv. Ursprünglich ist dieser Text zum ersten Mal im Jahr 2020 erschienen. Anm. d. Autorin]

Aus heutiger Sicht waren die 60er Jahre in England der schiere Wahnsinn. Eng beieinander tummelten sich junge Möchtegern-Beatles, die durch den amerikanischen Rock’n’Roll Feuer gefangen hatten und sich für wilde Rhythmen und verzerrte Gitarren begeisterten. Alleine in den Midlands, wegen der Kohleindustrie auch „Black Country“ genannt, fiedelten die Jünglinge der künftigen Black Sabbath noch als Polka Tulk Blues Band in den Jugendclubs, Robert Plant und John Bonham tingelten mit den Crawling King Snakes oder der Band Of Joy durch die Gegend, während sich gefühlt zwei Häuser weiter Jeff Lynne mit The Idle Race an der Popmusik abarbeitete. Sie alle waren noch leicht grün hinter den Ohrenund hatten noch keine Kostprobe jenes kometenhaften Erfolgs erhalten, der sie nur wenig später überrollen sollte.

In diesem Umfeld wuchsen auch vier Jungs namens Neville John Holder, David Hill, Donald George Powell und James Whild Lea auf. Alle bis auf den drei Jahre jüngeren James Whild alias Jim wurden im Jahr 1946 in Wolverhampton geboren. In einer Zeit, als Winston Churchill seine berühmte „Eiserne Vorhang“-Rede hielt und die meisten Länder, schwer traumatisiert vom Zweiten Weltkrieg, ihre klaffenden Wunden leckten.

Ihr kommt beide aus der Arbeiterklasse. Woher kam der Wunsch, Musiker zu werden?

N: Mein Vater sang in Arbeiter-Pubs und nahm mich und meine Mutter oft mit zu diesen Sonntagabend-Shows. Heute würde man Karaoke dazu sagen, damals nannte man es „Free & Easy“.Weil ich immer gerne sang, zerrte er mich 1953 erstmals auf die Bühne und ich schmetterte den damaligen Hit ›I Believe‹ von Frankie Laine mit kindlicher Sopranstimme. Die Leute drehten komplett durch. Ab da wollte ich immer mehr Applaus haben. Als der Rock’n’Roll nach England schwappte, gründete ich meine erste Band in der Schule und spielte Lieder von Little Richard, Jerry Lee Lewis und Buddy Holly nach.

D: Damals war in England eine Musik namens Skiffle sehr beliebt, als die Leute erstmals Instrumente in die Hände bekamen und einen Haufen Lärm damit veranstalteten. Ein Schulfreund von mir hatte eine Akustikgitarre und sagte: „Du kannst ein paar Akkorde lernen und deine liebsten Popsongs nach-spielen“. Mein Vater meinte: „Okay, ich kaufe dir eine billige Gitarre und wenn du keine Lust mehr hast, wurde wenigstens nicht viel Geld verschwendet“. Ich war Linkshänder, da es jedoch keine Linkshänder-Gitarren gab, lernte ich, mit rechts zu spielen. Irgendwann bekam ich schließlich diese wundervolle elektrische Gitarre – ein Symbol für Rock’n’Roll und Amerika. Für Elvis Presley, Buddy Holly und Chuck Berry. Die britische Kopie davon hieß Cliff Richard & The Shadows. Ich wollte wie Hank Marvin spielen. Weißt du, ich liebe Melodien. Und das brachte mich dazu, zuhause in meinem Arbeiterklasse-Umfeld eine Band zu gründen.

Wie so oft in der Geschichte großer Bands spielten auch bei Slade diverse Zufälle eine entscheidende Rolle: Nachdem Neville, von allen Noddy genannt, von einer Deutschlandtour mit seiner Band Steve Brett & The Mavericks in die Midlands zurückkehrte, lief er 1966 zufällig seinen entfernten Bekannten Don Powell und Dave Hill über den Weg, die damalsbei den ’N Betweens spielten und nach einem zweiten Sänger suchten. Fast zurselben Zeit zog Dave Hill den jungen, in sich gekehrten Wunderknaben Jim Lea an Bord und warf den alten Sänger Johnny Howells wenig später raus. Die ’N Betweens machten in dieser neuen Besetzung zu viert weiter.

Was habt ihr getrieben, kurz bevor ihr zu Slade zusammengefunden habt?

N: Ich war mit Steve Brett & The Mavericks in Deutschland unterwegs. Dort war es wundervoll. Vergiss nicht, wir waren Teenies aus den Midlands. Wir waren noch nie zuvor im Ausland oder in einem Flugzeug gewesen. Für mich war es wie ein Traum, als ich nach Deutschland durfte, um dort ein Club-Engagement zu spielen. Meine ersten Gigs fanden in Frankfurt und Köln statt und ich liebte es. Die Deutschen warenso offen, was Sex, Drugs und Rock’n’Roll betraf. Ein echtes Erweckungserlebnis.Und ach, die deutschen Mädchen … Das war wie Weihnachten! Woher kommst du eigentlich?

Aus München.

Oh, mit Slade spielten wir später oft in München, im Circus Krone. Wir waren sehr laut und weckten die Elefanten und Löwen auf. In den Spielpausen hörte man die Tiere brüllen und tröten, das war großartig!

Noddy, damals sollst du dich für Geld auf einem Glastisch erleichtert haben, unter dem der Clubbesitzer lag …

N: (lacht)Wir verdienten in Deutschland gar nicht so schlecht, aber ich wollte natürlich immer mehr. Ich bekam 25 Pfund pro Woche, bei einem Vollzeitjob im UK hätte ich 8 Pfund verdient, das nur mal zum Vergleich. Der Clubbesitzer zahlte mir einen ganzen Wochenlohn extra, wenn ich mich auf einem Glastisch über ihm erleichterte. Eigentlich gar kein schlechter Deal.

Hoffentlich hast du das nur einmal getan!?

N: Eher ein paarmal. Ich wollte den hübschen Damen schöne Dinge kaufen. Eine Kurzfassung meiner Lebensgeschichte: Ich habe mein Geld immer für Frauen ausgegeben. Und damals dachte ich mir: „Schwamm drüber, kacken muss ich eh“. Wenn ich dann doch manchmal pleite war, spendierte mir mein Mädchen ein Essen. Sie führte mich in ein stinknormales Restaurant in Frankfurt und kaufte mir eine Pizza und einen Beilagensalat mit French Dressing. Für mich war es das wundervollste Essen überhaupt. So etwas kannte ich von zuhause ja nicht. Sie öffnete meine Augen gegenüber so vielen Dingen. Auch im Bett.

D: Kulinarisch gesehen liebe ich bisheute Hähnchen mit Pommfritz. Pommes mit Mayonnaise, großartig! Und Currywurst, mein Leibgericht. Ich war etwa zur selben Zeit mit Schlagzeuger Don Powell in einer Band, wir waren die ’N Betweens und ich hatte diese Vision von einer Gruppe mit drei Leadgitarristen. Der Bassist sollte lead spielen, die Rhythmusgitarre und ich natürlich auch. Wiebei den Beatles. Später lief ich Nod über den Weg, erzählte ihm von meiner Idee und fragte, ob er nicht Lusthätte, mitzumachen. Ich schwärmte von diesem Bassisten Jim Lea, der ganz anders als alle anderen spielte.Und Violine oben drauf. Ein sehr musikalischer Mensch. Als wir zum allerersten Mal zu viert ein paar Songs spielten, spürte ich Magie. Ich wusste einfach, dass hier gerade etwas Besonderes passierte. Natürlich ging man nicht davon aus, dassman berühmt werden würde. Aber es waren die 60er, und die 60er in England waren großartig. Es gab grandiose Musik, Bands und Mode. Als die Beatles es geschafft hatten, wusste ich plötzlich, was ich mal werden wollen würde. Und diese Leidenschaft habe ich niemals verloren.

Als Liveband machten sich die ’N Betweens in neuer Besetzung schnell einen Namen. Nach einer energiegeladenen Clubshow in London nahm Kim Fowley Kontakt zu der Band auf. Der amerikanische Produzent, der später die Runaways groß herausbringen sollte, nahm unter anderem ein Cover von ›You Better Run‹ der Young Rascals mit der Truppe auf, die in den regionalen Single-Charts auf Platz eins aufstieg. Auf der B-Seite fand sich der Song ›Evil Witch Man‹. Die Platte wird musikalisch im Freakbeat verortet, originale Exemplare der raren Pressung sind heute teure Sammlerstücke. Dadamals jedoch weder der heimische Markt noch die Staaten Interesse an den ’N Betweens zeigten, verloren der sprunghafte Fowley sowie Columbia Records schnell die Lust an der Band und zogen unverrichteter Dinge weiter. Noddy, Don, Dave und Jim nahmensich diesen Vorfall nicht weiter zu Herzen, schließlich wurden sie nur wenig später für ein Club-Engagement auf den sonnigen Bahamas angeheuert.

Wenn Deutschland schon exotisch war, dann war eure Zeit auf den Bahamas wahrscheinlich der absolute Knaller, oder?

N: Oh ja. Ich meine, das war eine andere Ausgangssituation. Wir saßen auf den Bahamas fest, weil der Clubbesitzer uns übers Ohr gehauen hatte und wir unsere Hotelrechnungen abzahlen mussten. Wir arbeiteten jeden Abend in diesem Club, wobei wir nicht nur unser Set spielten, sondern auch als Backing-Band für jegliche Art von Künstlern herhielten. Da war dieser Typ, der sich silbern anmalte. Wenn er nicht rechtzeitig auf die Bühne kam, wurde er ohnmächtig, weil die Farbe seine Poren verschloss. Jeden Abend passierten absurde Dinge. Unser armer Drummer Don: Er musste die ganze Nacht hinter seinem Schlagzeug sitzen und für jeden trommeln, von Captain Calypso bis zum Limbotän-zer. Aber das war eine sehr gute Erfahrung und eine tolle Übung für uns als Band. Außerdem brachten uns die amerikanischen Kids Platten aus den Staaten mit, die in England noch niemand kannte.

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