Lebenslinien: Rick Wakeman

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Lebenslinien: Rick Wakeman

Photo of Rick WAKEMAN and YESEr ist eine Progrock-Legende und auch ein Lebemann – selbst wenn er das heute nicht mehr so deutlich zeigt wie früher. Und er hat im Laufe seiner langen Karriere etliche Persönlichkeiten getroffen, die sonst nur selten jemandem über den Weg gelaufen sind, wie Rick Wakeman (61) im CLASSIC ROCK-Interview verrät.

Schon bevor Rick Wakeman mit der Progrock-Legende Yes zu weltweiten Ehren gelangte, stand er mit den Giganten des Musikgeschäfts im Aufnahmeraum. Wakeman war nämlich in den berühmten Londoner Trident Studios als Keyboarder fest angestellt und verhalf mit seiner Arbeit so manchem Act zu einem Charterfolg. Als Komponist verdiente er sich zunächst seine Sporen bei den Folkproggern The Strawbs, bevor er mit Yes weltweit die Stadien füllte. Auch mit seinen exzessiven Soloshows sorgte er in den Siebzigern für Furore: So unternahm er 1975 den Versuch, sein Album THE MYTHS AND LEGENDS OF KING ARTHUR AND THE KNIGHTS OF THE ROUND TABLE in der Wembley Arena aufzuführen – und zwar als Eislauf-Show. Der Begriff „exzessiv“ trifft nicht nur auf Rick Wakemans opulente Musik und deren optische Umsetzung zu, sondern auch auf sein Privatleben. So hatte ihn bis Mitte der Achtziger der Dämon Alkohol fest im Griff. Er konnte ihn jedoch erfolgreich niederringen und ist seither eine der schillerndsten und meistbewunderten Persönlichkeiten der Progrock-Szene. Kein Wunder, dass er daher auch etlichen ande-ren interessanten Stars begegnet ist…

David Bowie

Ich habe ihn Ende der Sechziger das erste Mal getroffen – also in einer Ära, in der man noch durch Mund-zu-Mund-Propaganda oder die Zeitschrift „Melody Maker“ herausgefunden hat, welche neue, junge Band das nächste große Ding werden könnte. Ich sollte 1969 einen Job für Bowies Produzent Tony Visconti erledigen, er arbeitete zu dieser Zeit mit Junior’s Eyes in Willesden an einem Album. Ich kam rein – und sah als Erstes ein Mellotron in der Ecke stehen. Die Dinger waren damals brandneu, und keiner wusste so richtig etwas damit anzufangen. Also fragte ich, ob ich ein bisschen rumprobieren dürfe. Und tatsächlich: Es gelang mir, das Teil zum Laufen zu bringen. Einige Tage später, ich trat gerade mit einer Soul-Coverband im Reading Top Rank Club auf, rief mich Tony an und fragte, ob ich nicht bei Bowies SPACE ODDITY-Session in den Trident Studios dabei sein wolle. David war gerade dabei, eine Single aufzunehmen und wünschte sich Streicher-Parts und auch eine Mellotron-Passage. Ich sagte zu. Die Aufnahmen dauerten nur eine halbe Stunde. David tauchte mit einem Stylophone auf, diesem Keyboard, das man in der Hand halten kann. Er hatte es im Vorbeigehen in einem Laden gesehen und sofort gekauft. Bowie liebte alles, was neu war. Wir dagegen sagten ihm, dass er keinen einzigen vernünftigen Ton aus dem Ding herausbekommen würde. Doch als die Single schließlich erschien, war ich erstaunt: Er hatte es tatsächlich geschafft, das Instrument zu integrieren. Außerdem bestand er darauf, dass die Single in Stereo, nicht in Mono auf den Markt kommen sollte. Die Leute von der Plattenfirma waren dagegen, doch am Ende setzte er sich durch. Das ist wohl einer der Gründe, wa-rum ich ihn schon immer als einen Künstler betrachtet habe, der sich zu 100 Prozent für seine künstlerische Vision einsetzt.

David hat mir auch geholfen, als ich noch unter dem Motto „Booze Droop“ Folk-Abende im White Hart Pub in North Acton organisierte. Es hatten sich einige Mietrückstände aufgetürmt, und der Vermieter ging uns deswegen tierisch auf die Eier. Ich erwähnte das bei einem Abendessen mit David, und er bot mir an, dort ohne Gage aufzutreten. Von den Einnahmen sollte ich die Rechnungen begleichen. Also schaltete ich Inserate und pries den Gig an. Es kamen genau vier zahlende Gäste. Alle hatten gedacht, dass es sich um einen Scherz handele und waren zu Hause geblieben. Bowie spielte sein Set dennoch. Und siehe da: In der Woche darauf war der Laden rammelvoll – und die Mietschulden schnell Geschichte. Ebenso wie der „Booze Droop“-Abend übrigens, denn das war mir eine Lehre.

BLACK SABBATH

Ich habe Black Sabbath geliebt. Ihre Musik, aber auch die Menschen dahinter. Da wir mit Yes einige Male als Support auf ihren US-Tourneen in den frühen Siebzigern dabei waren, kannte ich sie ganz gut. Sie hatten nichts gegen einen gepflegten Drink – und ich ebensowenig, also war die Sache klar. Mich verband auf einer persönlichen Ebene mehr mit Sabbath als mit Yes. Ich liebte es, mir einen zu genehmigen und danach ordentlich auf die Kacke zu hauen: Rock’n’Roll eben. Da wir uns so gut verstanden, bin ich auch oft in ihrem Flugzeug mitgeflogen, um Party zu machen. Tony Iommi, mit dem ich bis heute gut befreundet bin, hat mir sogar einmal gezählt, dass die Band ernsthaft darüber nachgedacht hat, mich ins Line-up aufzunehmen. Sie mochten mich und hatten außerdem vor, ihren Sound etwas zu verändern. Doch Ozzy hatte Bedenken, dass die Metal-Fans negativ auf diese Entwicklung reagieren würden – nicht ganz zu Unrecht, wie ich zugeben muss. Ich habe das erste Mal während der Aufnahmen zu SABBATH BLOODY SABBATH mit ihnen zusammengearbeitet, das war Anfang der Siebziger. Sie wollten einen Mini-Moog-Part in einem Song einbinden. Da wir mit Yes in einem Studio nebenan an neuen Stücken bastelten, sagte ich zu, bat sie aber, einfach weiterzumachen mit ihren Recordings – ich wollte erst meine Arbeit mit Yes beenden und dann dazustoßen, um den Kram einzuspielen. Als ich schließlich soweit war und das Studio von Sabbath betrat, traute ich meinen Augen nicht. Alle lagen rum und schliefen. Wobei der Begriff „schlafen“ hier noch eine vornehme Bezeichnung ist… Nur ein junger, völlig verängstigter Techniker war noch bei Bewusstsein. Er legte das Tape mit besagtem Track ein, ich hörte es mir an und probierte ein bisschen herum, improvisierte mit zwei, drei Varianten. Schließlich nahm ich die dritte Version auf. Während ich spielte, hob plötzlich Ozzy seinen Kopf, grunzte „fucking great!“ und knackte wieder weg.

JACK LEMMON

Wenn man älter wird – und das gilt für Rocker wie für normale Menschen –, dann schleichen sich plötzlich Aktivitäten ins Leben ein, die man vorher niemals freiwillig getan hätte. Kochen zum Beispiel. Oder Gartenarbeit. Golfen ist auch so eine Sache. Ich habe in den Achtzigern damit begonnen, nachdem ich mit dem Trinken aufgehört hatte. Als Ausgleich quasi. Eines Tages bekam ich eine Einladung zum Howard Keel Golf Classic, das ist ein Celebrity-Turnier in Manchester. Höhepunkt der Veranstaltung ist eine Gala, bei der Gastgeber Howard Keel jede Menge Stars und Sternen aus den Staaten einfliegen lässt. Nun, jedenfalls war ich auch da – denn Howard sagte: „Jack mag dein Pianospiel. Also spielst du ein bisschen, moderierst Jack an, er spielt dann auch ein bisschen und moderiert schließlich mich an“. So weit sein Plan. Ich sagte zu – und verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr daran, wer denn dieser Jack eigentlich war. Als es dann soweit war, machte ich mich auf den Weg nach Manchester, traf Howard und fragte nach Jack. Keel deutete zum Bühnenrand und sagte: „Da hinten steht er doch.“ Ich blickte in die Richtung – und plötzlich fiel bei mir der Groschen: Jack = Jack Lemmon! Ich war noch völlig wie vom Donner gerührt, als Lemmon uns schon erblickt hatte und rüberkam. Er hatte von Howard Keel einige meiner Platten bekommen und mochte sie sehr. Also bat er Keel, mich für die Show zu buchen, damit wir gemeinsam auftreten könnten. Wenn ich mich recht erinnere, spielte Lemmon ziemlich jazzig. Aber so genau weiß ich das ehrlich gesagt gar nicht mehr, denn ich war zu sehr damit beschäftigt, mich selbst zu zwicken, denn ich konnte nicht glauben, dass ich wirklich direkt neben einer Filmlegende saß.

John Lennon @ Alan Tannenbaum 1_bearbeitetJOHN LENNON

Mit Ringo Starr war ich lange Jahre befreundet, und ich hatte auch Paul McCartney und George Harrison schon etliche Male getroffen. Aber noch nie John Lennon. Eines Tages jedoch, ich lebte damals in der Schweiz, war aber gerade in New York, um eine Yes-Tour zu promoten, war es soweit. Ich saß in der „Tavern On The Green“ im Central Park, denn das Essen dort schmeckte hervorragend. Außerdem gab es einen Raum namens „Crystal Room“, in dem man in aller Ruhe dinieren konnte, ohne von irgendwelchen Leuten belästigt zu werden. Die Leute schauten zwar neugierig, aber das war’s dann auch schon. Meine damalige Frau und ich hatten es uns gerade bequem gemacht, als ich bemerkte, dass John und Yoko am Nebentisch saßen. Ich hätte nie gedacht, dass er mich erkennen würde – aber er kam rüber zu uns, stellte sich vor, und wir kamen ins Gespräch. Er wirkte sehr nett und höflich, berichtete uns von den Problemen, die ihm die Arbeit am neuen Album DOUBLE FANTASY bereitete. Die Art und Weise, wie er über seine Musik sprach, erinnerte mich stark an David Bowie – er war ähnlich leidenschaftlich und engagiert. Kurz nachdem ich in die Schweiz zurückgekehrt war, bekam ich einen Anruf von einer Journalistin, die mich um ein Zitat zu John Lennon bat. Ich war verwirrt und wollte wissen, weshalb sie mich danach fragte. Schließlich erfuhr ich von seiner Ermordung. Ich war wohl einer der letzten Musiker, mit denen er ins Gespräch gekommen war – zumindest in der Öffentlichkeit. Und dann stellte mir die Journalistin eine der dümmsten Fragen, die mir in meiner Karriere bisher untergekommen ist: „Hat John dir irgendetwas über eine Vorahnung seines baldigen Todes erzählt?“ Manche Leute haben vielleicht Ideen…

KEITH MOON & VIVIAN STANSHALL

Wer mit Keith ausging, der wusste, dass die Polizei an diesem Abend nicht weit sein würde. Zumindest nicht, wenn Vivian Stanshall (Bonzo Dog Band) auch mit von der Partie war. Die beiden konnten zwar keiner Fliege was zu leide tun, zogen aber Ärger magisch an. Die trieben unablässig ihre Scherze mit allem und jedem – und es wurde besonders übel, wenn sich Alkohol zu ihrem überschäumendem, kindlichen Enthuasismus gesellte. Speziell Keith konnte ein wirklich gemeiner kleiner Kerl sein. Aber die Nächte mit ihnen werde ich nie vergessen – sie gehören zu den heftigen und spaßigsten, die ich je erleben durfte.

Jim Davidson

Ich kenne Jim schon seit vielen, vielen Jahren. Er ist ein echter Progrock-Fanatiker, und so sind wir im Laufe der Zeit zu dicken Freunden geworden. Aber auch er fällt in dieselbe Kategorie wie Keith und Vivian: Wer mit ihm ausgeht, muss aufpassen, denn das Chaos lugt ständig ums Eck. Jim trinkt auch heute noch gerne einen über den Durst, obwohl er lange nicht mehr so schlimm ist wie früher. Und genau wie bei Moons & Stanshalls Exzessen hat auch Davidson nie irgendjemandem etwas Böses zugefügt. Denn egal wie krass ein Witz war oder wie viele Schnäpse schon unsere Kehlen heruntergeronnen waren – für alle Beteiligten stand immer nur eines im Vorder­grund: der Spaß.

 

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