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Lebenslinien: Sylvain Sylvain (New York Dolls)

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LOU REED

Während unserer ersten Tour durch Großbritannien sollten wir an einem Abend Lou Reed supporten. Also fuhren wir den ganzen Weg bis hoch nach Liverpool. Das war eine Woche, bevor unser Drummer Billy Murcia starb. Er war in schlechter Verfassung und hat die Reiserei nicht gut weggesteckt. Wir haben uns dennoch hingequält. Doch eine Stunde vor dem Gig hieß es dann, dass die Show abgesagt sie. Ein Crewmitglied von Lou Reed gab uns Bescheid. Ich kann mir bis heute nicht erklären, was der Grund dafür war. Doch ich habe für mich eine Lehre daraus gezogen: Das Musik-Business schenkt einem nichts – sogar dann nicht, wenn man mit Leuten zusammenarbeitet, die einen beeinflusst haben, und für die man den Anheizer spielt. Wir liefen Lou später im „Max’s Kansas City“ über den Weg, als wir mit den Dolls sechs ausverkaufte Shows in Folge gaben. Das war ein bitter-süßer Triumph. So war der alte, dumme Lou Reed. Heute verhält er sich zwar anders, damals war er aber ein Schlappschwanz.

MALCOLM MCLAREN

1971 war ich nicht nur als Musiker aktiv, sondern auch im Mode-Business. Gemeinsam mit Billy Murcia hatte ich die Firma „Truth And Soul“ gegründet. Wir gingen häufig auf Fachmessen. Bei einer Ausstellung in New York entdeckte ich ein Label, das von einem britischen Paar geführt wurde: Malcolm McLaren und Vivienne Westwood. Sie verkauften Rockabilly-Utensilien und hatten all diese babyblauen Jackets mit einer Zierleiste aus schwarzer Seide sowie die dazugehörigen Schuhe. Ich stand total auf das Zeug! Ich erzählte David Johansen und Johnny Thunders davon, und wir kauften ein paar Sachen von Malcolm und Vivienne. Zu dieser Zeit spielten wir mit den Dolls im „Mercer Arts Centre“, und wir luden die beiden auf eine unserer Shows ein. Sie haben sich sofort in die Band verliebt.

Vier Jahre später haben wir Malcolm zufällig wiedergetroffen, und er fragte, wie es mit den Dolls laufe. Das war direkt nach der Demo-Session zu ›Teenage News‹, die ins Wasser gefallen war. Johnny Thunders und Arthur Kane machten gerade eine Entziehungskur. Wir führten uns wie Chaoten auf, und unsere Manager machten uns die Hölle heiß. Malcolm hielt das für den falschen Weg. Und er war überzeugt, dass wir das nächste große Ding seien. Also nahm er uns unter seine Fittiche – mehr als Freund denn als Manager. Er besorgte uns ein Loft zum Proben, und zwar gleich neben dem Chelsea Hotel. Das war sehr praktisch, wenn man nach einem Streit mit seiner Freundin kein Dach über dem Kopf hatte.

David Johansen und ich schrieben den Song ›Red Patent Leather‹ und entschieden uns daraufhin spontan, dass wir uns rote Lederschuhe kaufen wollten. Das entwickelte sich dann weiter, nämlich zu roten Outfits mit einem verrückten Stilmix aus verschiedenen Epochen. Vivienne Westwood gestaltete sie. Eines Tages sahen sich David und Malcolm, die bis dahin nicht viel miteinander geredet hatten, mit leuchtenden Augen an und schlugen vor: „Lasst uns die kommunistische Rote Fahne bei den Gigs aufhängen!“ Das war das Schlimmste, was wir tun konnten. Danach fielen wir überall durch. Diese Entscheidung bedeutete im Prinzip das Ende der Dolls.

THE SEX PISTOLS


Eigentlich hätten die Pistols meine Band werden sollen. Als sich die Dolls aufgelöst hatten, haben Malcolm McLaren und ich eine Rundreise durch die Staaten gemacht. Wir hielten uns gerade in New Orleans auf, als Malcolm sagte: „Syl, vor Viviennes Laden hängen jede Menge Kids rum, wir sollten eine Band für dich zusammenstellen, die ihnen gefällt.“ Und er überredete mich, ihm meine weiße Les Paul (die mit dem Sticker eines 50s-Mädchens auf einer Schallplatte) und ein Fender Rhodes-Piano zu geben. Als Gegenleistung sollte ich ein Flugticket nach England bekommen, um bei den Sex Pistols einzusteigen. Malcolm wollte unbedingt, dass ich nach Europa komme. Er schrieb mir einen Brief und bekniete mich auf sieben Seiten: „Los, mach schon, das ist deine Band!“ Er schickte auch Passbild-Automatenfotos von den anderen Jungs mit. Unter einem stand: „Wir überlegen, diesen Typen Johnny Rotten zu nennen. Er kann nicht singen, aber er ist definitiv ein besserer Sänger als Johansen.“

Ich muss zugeben: Damals war ich nicht sonderlich interessiert, da ich viel zu tun hatte und zudem eine neue Band mit David gründen wollte. Daher gab Malcolm die Gitarre Steve Jones, dem Gitarristen der Sex Pistols. In den letzten Jahren sind wir, wann immer wir in Los Angeles waren, in Steves Radioshow zu Gast gewesen. Dabei hat er mich stets gefragt, wo er noch mehr von diesen Les Pauls auftreiben könne. Er hat nämlich inzwischen ein Geschäft daraus gemacht, diese speziellen Gitarren zu kaufen, die passenden Aufkleber zu finden und beides mit den Worten „Das ist sie!“ weiterzuverkaufen.

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