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Aerosmith: DRAW THE LINE oder: High Times

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Aerosmith: DRAW THE LINE oder: High Times

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Das Line-up an jenem Tag war erstklassig: Neben Aerosmith und einmal mehr Nugent spielten auch Journey, Thin Lizzy, AC/DC und die Scorpions. Doch als Aerosmith auf die Bühne gingen, waren sie nicht von Stolz befeuert oder dem Verlangen, zu beweisen, dass sie immer noch die Könige waren – es war der Hass aufeinander. Kurz vor dem Auftritt hatten sich Elyssa Perry und Tom Hamiltons Frau Terry in einem Wohnwagen backstage gegenseitig angefeindet, ein Milchglas war geflogen und in der folgenden Auseinandersetzung hatten alle fünf Bandmitglieder ihre Fäuste sprechen lassen. All diese negative Energie floss, in Elyssas schelmischen Worten, in „die beste Show der gesamten Tournee.“ Doch als alles vorbei war und alle wieder in ihrem Wohnwagen waren, gingen Tyler und Perry aufeinander los. Wie Tyler sich erinnerte: „Joe sagte, ‚Vielleicht sollte ich die Band verlassen.‘ Ich sagte: ‚Ja, vielleicht solltest du das verfickt noch mal tun.‘ Joe sagte: ‚Ach ja?‘ und stand auf. Und ich schrie: ‚FICK DICH DOCH! VERPISS DICH!‘ Und er ging.“ Tyler fasste es humorvoll, wenn auch etwas zu simpel zusammen: „Aerosmith lösten sich im wahrsten Sinne des Wortes wegen vergossener Milch auf.“

In den folgenden Wochen, während die Gerüchte über Perrys Ausstieg in der Rockpresse zirkulierten, machte sich der Rest der Band in den Media Sound Studios in New York wieder an die Arbeit zum neuen Album, während auch Auditions für neue Gitarristen abgehalten wurden. Einer der Kandidaten war Michael Schenker, das unberechenbare Genie, das schon bei zwei großen Bands ausgestiegen war, den Scorpions und UFO. Es war seine brüskierende Art, die sie abstieß. Tyler zitierte ihn: „Bevor ich bei euch einsteige, möchte ich klarstellen, dass ich sofort das Ruder übernehme!“ Schenker war seinerseits nicht gerade beeindruckt: „Steven war in keiner guten Verfassung.“ Letztlich war es der 23-jährige New Yorker Jimmy Crespo, der Perry ersetzte.

Aerosmith - Night In The Ruts

Schenkers Bauchgefühl über Tyler erwies sich als korrekt. Der Sänger war den Drogen so verfallen, als Aerosmith NIGHT IN THE RUTS fertigstellten, dass er die Erfahrung später „wie eine verfickte Sonnenfinsternis“ beschrieb. Doch selbst ohne Perry und mit einem kaum noch anwesenden Tyler wurde dieses Album trotz seines ironischen Titels zu einem ihrer allerbesten.

Eine Pressemitteilung von 10. Oktober 1979 setzte den Spekulationen ein Ende: „Joe Perry und Aerosmith gaben heute Perrys Pläne bekannt, die Gruppe zu verlassen, um eine Solokarriere anzustreben.“ Diese Mitteilung endete mit einer glatten Lüge: „Sein Weggang wird als freundschaftlich beschrieben.“ Perry war zwar noch auf dem Cover von NIGHT OF THE RUTS zu sehen – das Foto, das die Band als Minenarbeiter zeigte, war im März 1978 entstanden –, doch jegliche Gespräche über eine Aussöhnung wurden am 16. November beendet, dem Tag der Veröffentlichung des Albums. An jenem Abend gab die neue Formation des Gitarristen, The Joe Perry Project, mit komödiantischem Timing ihr Live-Debüt im Boston College.

An sechs Songs auf NIGHT IN THE RUTS hatte Perry noch mitgeschrieben, auf fünf auch gespielt: ›Chiquita‹, ›Cheese Cake‹ und ›Three Mile Smile‹, sämtlich knackig-simple Rocker in der klassischen Aerosmith-Tradition, sowie ›No Surprise‹, der kraftvolle Opener, auf dem Tyler die Geschichte der Anfangstage der Band erzählte, und ›Bone To Bone (Coney Island White Fish Boy)‹, eine Vollgasnummer, die Tyler nach einem Slangbegriff für ein benutztes Kondom betitelt hatte. Doch in Perrys Abwesenheit harmonierten Jimmy Crespo und ein weiterer Gitarrist, Richie Supa, bestens mit Brad Whitford. Die Platte wurde durch gleich drei Coverversionen „aufgefüllt“, doch sie funktionierten alle hervorragend: ›Think About It‹ von den Yardbirds wurde mit Hochdruck gespielt, der alte Bluessong ›Reefer Head Woman‹ entlockte Tyler rohe Emotionen und ›Remember (Walking In The Sand)‹, ein Hit für die 60s-Girlgroup The Shangri-Las, wurde fingerschnippend souverän dargeboten. Das abschließende Stück, eine wunderschöne Ballade namens ›Mia‹, war, wie Tyler später zugab, mehr als bedeutungsschwanger: „Es war ein Gutenachtlied, das ich am Klavier für meine Tochter geschrieben hatte.

Doch die läutenden Glocken am Ende des Songs und somit am Ende des Albums klangen eher wie das Totengeläut für Aerosmith für die Leute, die wussten, was los war.“ Als NIGHT IN THE RUTS im Januar 1980 Platz 14 in den USA erreichte, schien es, als könnten Aerosmith vielleicht doch auch ohne Joe Perry überleben. Doch als die Band im selben Monat auf Tour ging, war es mehr als beschwerlich. Tyler betrank sich vor einer Show in Portland, Maine so heftig, dass er nach er Hälfte des Sets umkippte und von der Bühne getragen werden musste. Und selbst an den Abenden, als die Band in Form war, riefen die Fans nach Perry, dessen Debütalbum mit dem Project, veröffentlicht in jenem März, den treffenden Titel LET THE MUSIC DO THE TALKING trug.

NIGHT IN THE RUTS war ein großartiges Album, doch der Band standen schwere Zeiten bevor. Der Wurm war drin, der Abstieg war unvermeidlich. Steven Tyler war nur zu stolz, es zuzugeben, und zu am Ende, um irgendwas daran zu ändern. Aerosmith hatten alles erreicht, alles verloren – und konnten niemandem außer sich selbst die Schuld dafür geben. Wie David Krebs sagte: „1978 standen Aerosmith für den lebenden Geist des amerikanischen Rock‘n‘Roll. Zuzusehen, wie sie sich durch enorme Verachtung für alles außer ihren Lastern zerstörten, war eine Tragödie.“

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