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Die wahren 100 besten Alben der 80er: Platz 5

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Die wahren 100 besten Alben der 80er: Platz 5

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„Diese Tour war genauso für uns wie für die Fans“, sagt Perry. „Wir zogen los, die Mundpropaganda sorgte für den Rest und wir wollten sehen, ob es da noch ein Publikum für uns gab und ob wir überhaupt noch zusammen spielen konnten. Und das fühlte sich gut an. Wir hatten gerade einen neuen Management-Vertrag unterschrieben, mussten uns aber aus unserem alten Plattenvertrag freikaufen. Wir schuldeten Columbia Records Geld und sie wollten nicht, dass wir noch ein Album mit ihnen machen.“
Das Label Geffen hingegen konnte davon überzeugt werden, dass die Band ein lohnenswertes Investment ist, und Aerosmith machten sich an die Arbeit. Das Musikbusiness steckte damals gerade mal wieder in einer Übergangsphase in eine neue Ära. MTV, zu dem Zeitpunkt gerade vier Jahre alt, übte immer größeren Einfluss auf eine neue Generation von Musikfans aus und die Rockwelt wurde dominiert vom Sunset-Strip-Sound aus Los Angeles. Im Sommer, bevor DONE WITH MIRRORS erschien, hatten Mötley Crüe mit THEATRE OF PAIN und Ratt mit INVASION OF YOUR PRIVACY die Spitze der Billboard-Charts erreicht – Platten, die wie noch viele weitere damals auf halbgaren, alten Perry-Riffs aufbauten. Acts, die wie eine eindimensionale Version von Aerosmith wirkten, nur mit mehr Make-up und voluminöseren Frisuren.

Aerosmith selbst feilten unterdessen in einem gemieteten Proberaum in Massachusetts an neuen Songs. Die anderen brachten Ideen mit, mit denen Tyler „sich anfreunden“ konnte, wie Perry es formuliert, und hämmerten dann die vielversprechendsten gemeinsam in Form. Tyler wollte den Knaller ›Let The Music Do The Talking‹ neu aufnehmen, den Perry damals zu seinem Soloprojekt mitgenommen hatte, als er in Cleveland die Segel strich. Auf anderen Songs wie dem wilden Blues von ›My Fist Your Face‹ und ›Shame On You‹ tauchten seine erratischen, mäandernden Texte in die dunkelsten, verstörtesten Winkel seiner Psyche ab. „Somebody tryin‘ to take my soul“, jaulte er auf letzterer Nummer, und dann „Nobody gotta hear my rock and roll“.

„Ich weiß, wo einiges davon herkam“, so Perry. „Es ging um die Grube, aus der wir uns damals hinaus schaufelten. Gegen Ende unserer Trennung sah es ziemlich finster aus. Ich weiß nicht, welche Dämonen Steven damals tagtäglich bekämpfte, aber wir hatten definitiv beide unsere Aufs und Abs. Dass ich so viel durchgemacht hatte, war mit ein Grund, dass ich wieder mit den Jungs zusammenkommen wollte.“

Für die endgültigen Aufnahmen zogen Aerosmith schließlich nach Kalifornien weiter. Sie quartierten sich in den Fantasy Studios in der relativ beschaulichen Universitätsstadt Berkeley in der Bay Area ein, weit weg von den nächtlichen Versuchungen von Los Angeles und New York. Fünf ihrer bisherigen sieben Alben waren mit dem altgedienten Produzenten Jack Douglas entstanden, doch Geffens A&R-Boss John Kalodner bestand darauf, dass sie für einen Neuanfang auch mit jemand Neuem zusammenarbeiten mussten. Und das war Ted Templeman, der Van Halens Sound seit ihrem epochalen Debüt von 1977 zurechtgeschliffen hatte.

Seine Vision für Aerosmith bestand darin, die Essenz ihrer 70er-Live-Energie einzufangen, einen stürmischen Lärm, der unglaublich unterhaltsam, aber auch schwer zu bändigen war. Er nahm die Glühbirne aus der roten „Recording“-Leuchte, damit die Band nicht wusste, dass sie aufgenommen wurde, und fing sie einfach so ein, wie sie spielte. Jahre später beklagte Templeman, dass er aufgrund seiner mangelnden Vertrautheit mit dem Raum Perrys und Whitfords Gitarren sowie Joey Kramers Drums zu sehr in den Hintergrund gerückt hatte, doch mehr als einmal bannte er reine Magie aufs Tonband.


›Let The Music Do The Talking‹ erweckte das Album zum Leben, er­­schaffen aus einem mörderischen Slide-Gitarren-Riff von Perry. ›The Hop‹ und ›Gypsy‹ tanzten auf des Messers Schneide, während Perry und Whitford Hamiltons und Kramers treibenden R&B-Beat zerschnitten und Tyler die scharfen Kanten wegbrüllte. ›Shela‹ war locker wie ein Jitterbug, ›Darkness‹ wiederum beschwor dunkle Wolken und Donner herauf.

Von ›Dream On› auf ihrem 1973er- Debüt zum erhabenen ›Kings And Queens‹ auf DRAW THE LINE gab es auf jedem Album starke Balladen, und DONE WITH MIRRORS machte da keine Ausnahme. In der Mitte stand ›The Reason A Dog‹, ein kräftiger frischer Wind. „The reason a dog has so many friends“, sang Tyler weise, „he wags his tail instead of his tongue.“ Mit einem wissenden Augenzwinkern war es ein willkommener Moment der Präzision unter all den dreckigeren, siffigeren Abgründe, die er auf den anderen Tracks auslotete.

„Ich liebte den Klang, den Ted diesen Van-Halen-Scheiben verpasst hatte, und hoffte, dass er für uns ein ähnliches Feuer entfachen könnte“, so Perry. „Technisch und dynamisch stellte er uns bestens auf und nahm uns auch toll auf. Damals klang das für mich sehr gut, wie eine sehr solide Platte. Heute finde ich, dass wir damals nicht alles gegeben haben. Hätte er uns als junge Band bekommen, hätten wir wohl etwas mehr die Sau rausgelassen.“
Was an DONE WITH MIRRORS auffällt, ist dass viele Tracks mit einem einfachen Fadeout enden. Es ist bekannt, dass die schlechten Angewohnheiten auch bei den Sessions anhielten – was auch der Titel andeutet. Daraus entstand die Behauptung, dass bestimmte Bandmitglieder immer noch so zugedröhnt waren, dass Templeman sie nicht dazu bewegen konnte, die Songs zu einem ordentlichen Ende zu bringen.

Perry widerspricht dieser Anschuldigung jedoch: „Aus meiner Sicht nahmen wir uns die Zeit, die wir brauchten, und die Platte fühlte sich fertig an. Da stand auch niemand mit einer Uhr neben uns. Wir brachten gerade unser Leben auf die Reihe und die Songs waren in ihrer Substanz gut. Was meiner Meinung fehlte, waren ein paar der etwas anspruchsvolleren Sachen, auf die wir seit NIGHT IN THE RUTS abfuhren. Aber das lag daran, wie die Band damals war. Wir hatten gerade erst wieder zusammengefunden und hatten Angst, einander zu provozieren.“

Wie auch immer, vor Ende des Jahres hatten die Band und ihr neuer Manager Tim Collins Tyler zur Rede gestellt und aufgefordert, einen Entzug zu machen. Und er war beileibe nicht der einzige, der das dringend nötig hatte. DONE WITH MIRRORS war zu diesem Zeitpunkt schon wieder vergessen. Als es im November 1985 erschien, wurde es bestenfalls mit allgemeiner Apathie empfangen und brauchte fast acht Jahre, um in den USA Goldstatus zu erreichen, länger als jedes andere Aerosmith-Werk. Das Cover, ohne das geflügelte Logo mit seinem hohen Wiedererkennungswert, aber dafür mit der rückwärts laufenden Blockschrift, die man nur im Spiegel lesen konnte, half auch nicht weiter.

„Das Konzept für das Cover kam aus der Grafikabteilung der Plattenfirma“, erinnert sich Perry. „Alle dachte, es sei eine super Idee, also waren wir alle damit einverstanden. Es schien uns interessant, wie ein kleiner Zaubertrick. Doch wie sich herausstellte, war es eher hinderlich dabei, möglichst viele Leute zu erreichen. Es war fast, als wollten wir es verstecken. Schon durch den Titel selbst, und dann noch mit einer Hülle, die man erst mal dechiffrieren musste. Es war, als sagten wir zu uns selbst: Okay, wir sind wieder da, aber erst müssen wir es durch diese Platte schaffen und dann eine neue Blaupause finden. Dafür brauchten wir aber noch ein paar Jahre auf Tour.“

Die treuen Fans kamen auch in Scharen. Der Höhepunkt der achtmonatigen Reise durch die USA war eine Show vor 24.762 Zuschauern im Sullivan Stadium in Foxborough, Massachusetts. Und dann kam 1986 aus völlig heiterem Himmel die Einladung von Produzent Rick Rubin an Tyler und Perry, im Video seiner Schützlinge Run DMC zu deren Neuinterpretation von ›Walk This Way‹ aufzutreten. Die erreichte in jenem Sommer Platz 2 der US-Single-Charts und die Heavy Rotation auf MTV stellte Aerosmith einem neuen, jüngeren Publikum vor.

Den offiziellen Reboot traute Geffen ihnen aber nicht ohne Betreuung zu. Für PERMANENT VACATION und PUMP stellten sie ihnen die Songwriter Desmond Child – der schon an Bon Jovis 1986er-Bestseller SLIPPERY WHEN WET beteiligt gewesen war – und Jim Vallance (Bryan Adams‘ Co-Autor) zur Seite. Nach DONE WITH MIRRORS durften Aerosmith nie wieder komplett auf eigene Faust arbeiten – oder hatten nicht den kollektiven Willen dazu. Das Album wurde schnell als Fehltritt und Flop abgeschrieben.

Es ist natürlich wahr, dass die Band erst danach wiederauferstand und zur festen Größe wurde. Doch mehr als 30 Jahre später wird auch klar, wieviel bei dieser Verwandlung von alt in neu verloren ging. Wie ihre Highlights der 70er klingt DONE WITH MIRROS nach Gefahr und dem Versprechen verbotener, berauschender Dinge. Klar, ihre späteren Alben hatten den Hochglanz und die Hooks, aber sie waren auch handzahmer und steriler. DONE WITH MIRRORS, wie schon ROCKS und NIGHT IN THE RUTS zuvor, war unverdünnt und aggressiv. Seine Kraft hat nicht nur überdauert, sie ist sogar gewachsen. Wenn man heute die Nadel in die Rille setzt und das erste Knarzen von ›Let The Music Do The Talking‹ hört, hat man immer noch das Gefühl, dass man sich daran die Finger verbrennen könnte.

„Angesichts der Umstände damals war es die beste Platte, die wir machen konnten“, so Perry. „Es war zweifellos ein Sprungbrett für uns. Und so, wie wir sie gemacht hatten, war es offensichtlich geworden, dass wir uns etwas Neues einfallen lassen mussten. Keiner von uns konnte sich zunächst mit dem Gedanken anfreunden, Außenstehende ins Boot zu holen. Wir mussten fast an den Punkt geprügelt werden, das gutzuheißen. Doch letztendlich wurde uns klar, dass damit eine neue Energie Einzug halten würde, die uns helfen könnte, weiterzumachen.“

Perry sagt, er höre sich DONE WITH MIRRORS immer noch ein- bis zweimal pro Jahr an, weniger als andere Aero­smith-Alben und aus rein geschäftlichen Gründen. Er habe es sogar gerade erst vor ein paar Tagen gehört. Da nun die Abschiedstour von bislang noch nicht näher definierter Dauer bevorsteht, hat er obskurere Songs gesucht, die in die Setlisten einfließen sollen.

„Im Moment mag ich ›Shame On You‹, und vielleicht spielen wir auch mal wieder ›The Hop‹. ›Let The Music Do The Talking‹ spielen wir sowieso hin und wieder, aber das könnte jetzt von der B- auf die A-Liste kommen. Es würde eigentlich ziemlich viel Spaß machen, diese Songs mal wieder auszugraben. Ich wünschte sogar, wir könnten sie heute noch einmal aufnehmen. Mann, dann könnten sie endlich 100 statt 85 % auf der Richterskala erreichen.“

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