She Rocks: Girlschool

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She Rocks: Girlschool

motorhead girlschoolGirlschool: Gangleben. Auf Platte rockten sie echt hart, sorgten zusammen mit Motörhead für Chaos auf Tour und scherten sich nur um eines: die Musik.

Natürlich gab es andere Girlgroups, aber keine von ihnen konnte auch nur ansatzweise mit Girlschool mithalten, einer der wichtigsten britischen Rockbands überhaupt. Klar, Janis Joplin hatte diese Nuss be­­reits geknackt: Sie war nicht hübsch genug, um bloß als weiteres, süßes Püppchen abgestempelt zu werden. Janis mit der Stimme eines mächtigen Löwenmännchens und ihrer texanischen „Fick dich“-Haltung wurde als „one of the boys“ gesehen – was nicht wirklich dem großen Kompliment entspricht, als welches es im Steinzeitalter der 60er ursprünglich gemeint war. Dann gab es da Grace Slick von Jefferson Airplane, die erste Person, die das Wort „Motherfucker“ im Fernsehen aussprach, die erste Frau, die die Faust der „Black Power“-Bewegung am Ende eines Fernsehauftritts in die Luft reckte. Aber Grace war ein ehemaliges Mo­­del und sogar die bärtestreichelnden Typen der poetischen Hippiebewegung von North Beach bekamen einen Ständer wegen ihr. Sie war verheiratet mit dem Drummer ihrer vorherigen Band und hatte sich danach gleich Paul Kantner geangelt, den Gitarristen von Airplane. Grace war cool, aber sie war irgendwie im­­mer noch „die Alte“ von ir­­gendwem.

Girlschool, die ich zum ersten Mal im Jahr 1980 traf, wa­­ren völlig anders. Sie kamen als echte Gang rüber, sie waren nicht die Freundin von irgendwem. Sie waren auch nicht einfach nur bei den Jungs dabei, obwohl man mit viel Glück und wenn man genug mit ihnen unterwegs war, vielleicht bei den Mädchen dabei sein durfte. „Wir hatten viele tolle, männliche Freunde wie die Typen von den UK Subs“, erzählt Sängerin, Gitarristin und Mitgründerin Kim McAuliffe heute. „Aber wir haben nie versucht, wie sie zu sein, wir wollten uns nicht an irgendwelche Männer anpassen. Wir waren einfach alle Musiker, wir versuchten, wir selbst zu sein.“ Das war gar nicht so einfach wie es sich anhören mag, damals in den späten 70ern, als die Band gegründet wurde. Zu einer Zeit, bevor Aids und die alternative Szene richtig groß wurden. Es gab da die Band Fanny, die nur aus Frauen be­­stand.

Fanny waren echt, aber trotz der Unterstützung von Seiten der Kritiker schafften sie es nie in die Charts. Nur der Punk, der einige sehr coole weibliche Künstler hervorbrachte wie beispielsweise die bahnbrechende Frauenband The Slits, näherte sich daran an, mit Stereotypen zu brechen. Als Girlschool also um 1980 des Weges kamen, waren die Hoffnungen auf Erfolg nicht sehr groß, obwohl die Gruppe als Support von Motörheads „Overkill“-Tour 1979 alles gab. Das änderte sich jedoch, als ihr auf Krawall gebürstetes Debütalbum DEMOLITION erschien, das sich anhörte, als würden Thin Lizzy auf Motörhead und das verrückteste Mädchen der ganzen Schule treffen. Die, vor der alle ein wenig Angst haben. Auf ihren treibenden Tracks wie ›Emergency‹ und ›Demolition Boys‹ klangen Girlschool nicht als würden sie dir die Augen auskratzen, sondern eher so, als würden sie dir in die Eier stiefeln und dein Bier klauen. „Wir alle trugen Jeans und Leder – echtes Zeug, keine Kostüme. Das war unsere Straßenkluft. Es ging nur um die Musik. Nach dem Motto: Wenn du auf diesem Level nichts mit uns anfangen kannst, dann fick dich“, lacht McAuliffe. Was im Umkehrschluss jedoch nicht heißt, dass Girlschool keinen Sexappeal hatten.

Der manifestierte sich vor allem in Kelly Johnson, der auffallenden zweiten Sängerin und Gi­­tarristin. Als DEMOLITION 1980 er­­schien, wurde Johnson gerade mal 22 Jahre alt, war somit ein Jahr älter als McAuliffe und um einiges blonder, größer und hübscher. „Über Nacht wollte die Presse auf einmal nur noch mit Kelly sprechen und über sie schreiben“, erinnert sich Status-Quo-Manager Simon Porter, der damals als Promoter für Girlschool arbeitete. „Nicht nur die Musikpresse – die Band war quasi jede Woche in ,Kerrang!‘ oder ,Sounds‘ – aber auch in der überregionalen Presse. Klar ging es da nur um dieses Schockmoment, dass da Mädels in einer Rockband spielten, als wären Außerirdische gelandet. Aber hauptsächlich ging es da immer um Kelly, weil sie die gutaussehende Blondine war. Jeder hatte was für sie übrig.“

Porter betont jedoch, dass sowohl Johnson als auch McAuliffe und die beiden anderen Mitglieder – Sängerin und Bassistin Enid Williams und Schlagzeugerin Denise Dufort – obwohl sie sich immer dessen bewusst waren, was die Boulevardpresse wollte, diesen Faktor nie als ihr einziges Verkaufsargument sahen. „Auf Fotos sahen Kelly und Kim großartig zusammen aus. Du weißt schon, die dunkle Lady und der blonde Feger, und sie spielten diese Rollen gut und gerne“, sagte Porter. „Am En­de jedoch ging es ihnen je­­doch nur darum, wie gut sie als Musikerinnen waren. Ich war damals auch für die Werbung für Motörhead zuständig und meiner Ansicht nach hatten Girlschool mehr Po­­tenzial, was einen längerfristigen Erfolg betraf. Wenn es sie heute noch gäbe, wären sie riesengroß. Sie waren ihrer Zeit voraus.“
McAuliffe stimmte dem zu: „Kelly war natürlich sehr fotogen und erhielt sehr viel Aufmerksamkeit. Aber das war okay für uns, weil es ihr nie zu Kopf stieg. Kelly war eine sehr schüchterne Person, sehr freundlich und be­­dächtig. Jemand, mit dem man gut zu­­recht kam.“ Doch während die Band schnell lernte, mit dieser Art von unerwarteter Aufmerksamkeit umzugehen, betont McAuliffe vehement, dass sie nie das klassische Groupie-Phänomen erlebt haben, ob­­wohl sogar die unansehnlichsten männlichen Bands re­­gelmäßig Groupies hatten.

„Alle Fans waren in Kelly verliebt, aber sie hatte einen Freund, als wir langsam be­­kannt wurden“, erklärt sie. „Und sie mochte One-Night-Stands sowieso nicht. Keine von uns. Wir verachteten diesen Teil des Tourens eher. Alle männlichen Bands, mit denen wir unterwegs waren, egal ob als Headliner oder Support, waren irgendwie in die Groupie-Szene verwickelt. Damals gab es wirklich schreckliche Dinge zu sehen. Mädchen, die mit Handschellen an Heizungen gekettet waren, während die Typen sie be- und ausnutzten. Manchmal ließen sie die Frauen einfach dort hängen, während sie sich abwechselten. Das war schockierend. Also wenn überhaupt, dann waren wir total gegen diese Seite des Business. Ich erinnere mich an dieses eine Mal in Amerika: Nach einer Show versuchten zwei Kerle an der Regenrinne hoch und in mein Hotelzimmer zu klettern. Ich öffnete das Fenster und schrie sie an: Was denkt ihr eigentlich, was ihr da tut? Haut ab!“!

Sogar als sie mit ihrem zweiten Album HIT AND RUN von 1981 in die Top 5 einstieg, machte die Band nur wenig Anstalten, um sich besser zu verkaufen. Klar, Johnson posierte jetzt in silbernen Hosen, während McAuliffe einen roten Minirock trug. Aber man befand sich schließlich in der neuen Ära der NWOBHM mit heißen Acts wie Def Leppard und Saxon – Farben waren angesagt, obwohl sie natürlich nach wie vor an die klassischen Codes Denim und Leder gebunden waren.
„Wir wurden gefragt, ob wir uns selbst als Feministinnen sehen“, erzählt McAuliffe. „Ich denke, Kelly und ich sahen uns schon so. Aber wir hatten nie das Gefühl, da jetzt ein großes Ding draus machen zu müssen. Unsere Art von Feminismus ging eher dahin, seinen Arsch hochzukriegen, rauszugehen und zu tun, was immer man will. Uns ging es nicht darum, die Regeln zu ändern. Eher nach dem Motto: Tu’s einfach, egal, was andere denken.“

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