Es war eine vertonte Soap Opera: Als Fleetwood Mac 1977 ihren Megaseller RUMOURS veröffentlichten, lieferten sie nicht nur brillanten Poprock und Welthits wie ›Go Your Own Way‹, sondern auch das emotionale Protokoll eines bandinternen Liebesdesasters.
Man sagt: Große Kunst entsteht aus großem Leid. Den unfreiwilligen Beweis erbrachten Fleetwood Mac in den mittleren 70er Jahren. Zunächst schredderten sie das komplette Beziehungsgeflecht ihrer Band, um dann, als alle mit- und gegeneinander litten, sich liebten, hassten, hintergingen und bedauerten, gemeinsam ein neues Album aufzunehmen. Nicht irgendeins, sondern ihr bis heute bestes. Und ein Meilenstein des Seventies-Rock.
Die Fakten: Nach sieben Jahren Ehe hatten sich Christine und John McVie 1975 getrennt. Desgleichen das zweite Bandpärchen, Lindsey Buckingham und Stevie Nicks; ihre turbulente, von Streitereien, Trennungen und Versöhnungen geprägte Beziehung war nach sechs Jahren kaputt. Blieb noch Drummer Mick Fleetwood. Seit 1970 war er mit Jenny Boyd verheiratet, der Schwester von George Harrisons und Eric Claptons Muse Pattie Boyd. Nun musste er jedoch feststellen, dass ihn die Mutter seiner beiden Töchter mit seinem besten Freund betrog. Also tröstete sich Fleetwood mit Nicks. Und Christine McVie mit Curry Grant, dem Lichtdesigner der Band.
Die Aufnahmen zum neuen Album, Arbeitstitel „Yesterday‘s Gone“, starteten im Februar 1976 im nördlich des Golden Gate gelegenen Sausalito. Tatort war das in einem Holzhaus untergebrachte Record Plant Studio. Während der Sessions bezogen die Damen Mietwohnungen in Hafennähe, die Männer kamen in einem studioeigenen Quartier außerhalb der Stadt unter.
„Es war Trauma pur. Die Sessions waren wie eine tägliche Cocktail-Party– überall Leute…“
Die Arbeitsbedingungen waren entspannt – und alles andere als konstruktiv: In Sausalito, damals noch eine Hippiehochburg, waren Drogen aller Art leicht zu haben. Sie gehörten zum Lifestyle der Gegenkultur, der sich auch die Band zugehörig fühlte. Laut Record-Plant-Chef Chris Stone betrieben Fleetwood Mac dann auch „den Exzess aufs Exzessivste“: Tagsüber schliefen alle oder chillten, abends traf man sich im Studio, schleppte irgendwelche Freaks vom Strand an und machte erst einmal Party, wobei die nötigen Stimulanzien nicht fehlten.
Mit den Aufnahmen begann man dann irgendwann nach Mitternacht. Eine Arbeitsweise, die sich die Band leisten konnte: Das Vorgängeralbum FLEETWOOD MAC mit dem Radiohit ›Rhiannon‹ schickte sich gerade an, die Spitze der US-Charts zu erobern, die Plattenfirma rieb sich die Hände und ließ das Produktionsbudget in der Hoffnung auf einen weiteren Bestseller ungedeckelt.
Wie aberwitzig die Dinge im Record Plant liefen, zeigt eine Anekdote, derzufolge Band und Studiocrew volle vier Tage brauchten, um ein Klavier zu stimmen. Christine McVie fasste die Atmosphäre später so zusammen: „Es war Trauma pur. Die Sessions waren wie eine tägliche Cocktail-Party – überall Leute…“