Das Monterey International Pop Festival im Juni 1967 gilt als Mutter aller Rockfestivals, als erste Heerschau der jungen Rockmusik und Höhepunkt des Summer Of Love. Tatsächlich aber wurde Monterey zum Startschuss für eine flächendeckende Kommerzialisierung der Gegenkultur. Das tatsächlich erste große Rockfestival fand ohnehin woanders statt…
Entrücktes Lächeln, wallende Langhaarmähnen, bunte Batik-Kleider und, natürlich, jede Menge Blumen. Dazu die jungen Götter der Rockmusik, die ihre frühen Sternstunden zelebrierten: Jimi Hendrix mit brennender Gitarre; Janis Joplin, die den Pfennigabsatz ihres güldenen Slippers auf die Bretter stampft; ein bedröhnt durch den Backstage-Bereich schlendernder Brian Jones und Keith Moon, der mit sardonischem Grinsen die Reste seines Schlagzeugs über die Bühne tritt.
Was am Wochenende vom 16. bis 18. Juni 1967 auf dem Gelände des County Fairground im kalifornischen Küstenstädtchen Monterey geschah, bescherte der Rockmusik einen Identität stiftenden Mythos und reichen Vorrat an schillernden Images. Wer nicht dabei gewesen war, konnte sich die stolze Flowerpower-Parade bald darauf im Kino ansehen. Der Dokumentarfilmer D. A. Pennebaker hatte das Spektakel mit einem Kamerateam festgehalten und daraus einen abendfüllenden Film montiert, der Monterey als das inszenierte, was es, bei Licht betrachtet, zwar auch, aber eben nicht nur war: ein unschuldiges Fest von Love, Peace and Rock’n’Roll. Oder wie es ein euphorisiertes Mädchen in der Eingangssequenz des Films ausdrückte: „The vibrations are gonna be flowing everywhere!“
In der Tat war die Idee zu diesem Festival ein Ausfluss reinsten Herzens. Alan Pariser, Amateurfotograf und Musikfan aus Los Angeles, war im Jahr zuvor beim bereits etablierten Monterey Jazz Festival der Gedanke gekommen, dass auch die junge Rockmusik sich in einem solchen Rahmen präsentieren ließe. Im Winter also hatte er 50.000 Dollar bei Promis wie Harry Cohn Jr., dem Sohn des gleichnamigen Hollywood-Moguls, und Bill Graham, dem Dreh- und Angelpunkt der Konzertszene in San Francisco, aufgetrieben.
Dann war er in Kontakt getreten mit dem Ex-Beatles-Pressemann Derek Taylor, der den Amateur-Impresario daraufhin mit zwei Branchen-Dinos bekannt machte: John Phillips, Kopf von The Mamas & The Papas, und dessen Produzent und Chef von Dunhill Records, Lou Adler. Auf Anhieb erkannten die Profis das Potenzial von Parisers Idee und übernahmen freundlich. Sie kauften Pariser die Rechte an der Veranstaltung ab und legten sich, wie Taylor später berichtete, auf ein Konzept fest: „Sie sagten: Sämtliche Künstler werden ohne Gage auftreten, so dass wir daraus eine Wohltätigkeitsveranstaltung machen können. Sie wollten die größten Stars der Welt anrufen, um sie im Juni nach Monterey zu holen. Das taten sie.“
Allerdings war die Sache mit der Wohltätigkeit weniger der hehren Gesinnung der Branchen-Granden geschuldet als dem Umstand, dass die internationale Pop-Elite für das Festival anders kaum zu gewinnen war. Denn finanzierbar war ein solches Staraufgebot nur, wenn keine Gagen gezahlt wurden. Der Plan ging auf. Adler und Phillips holten Schlüsselfiguren wie Rolling-Stones-Manager Andrew Loog Oldham, Beatle Paul McCartney, Mick Jagger, Donovan und Beach Boy Brian Wilson ins Organisationsboot und schlossen mit dem landesweiten TV-Network ABC einen Vertrag über die Verfilmung des Events ab.
Das Line-up des Festivals stellte sich nun quasi von selbst auf: Neben den Mamas & Papas sollten die Beach Boys (die dann aber absagten) und Simon & Garfunkel als Headliner fungieren. Ebenfalls auftreten würde Scott McKenzie, dessen von Phillips geschriebenes ›San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair)‹ sich gerade zum Monsterhit mauserte. Der Sitar-Virtuose Ravi Shankar war bereits von Pariser engagiert worden. Zusätzlich zu damaligen Promis wie The Association, The Byrds, Buffalo Springfield und Lou Rawls gewann Adler noch Laura Nyro, Soulstar Otis Redding, die Butterfield Blues Band, deren Ableger Electric Flag sowie The Blues Project und den afrikanischen Trompeter Hugh Masekela. McCartney und Oldham empfahlen mit Jimi Hendrix und The Who zwei Acts, die in den USA zwar noch weitgehend unbekannt waren, in England aber bereits Furore machten.
Die zahlenmäßig größte Abordnung jedoch stellte die Musikszene aus San Francisco. Mit Ausnahme von Jefferson Airplane kannte man deren Protagonisten – Grateful Dead, Quicksilver Messenger Service, Big Brother & The Holding Company, Moby Grape, Country Joe, Steve Miller – zu diesem Zeitpunkt außerhalb der Bay Area noch kaum, dennoch war klar, dass die Musiker aus Haight-Ashbury ihr Stammpublikum mitbringen würden.
Dass sich Monterey dann gerade für die Frisco-Bands als Karriere-Turbo entpuppte, lag daran, dass sich vor Ort auch das Who’s Who der in Los Angeles ansässigen Plattenindustrie eingefunden hatte, u. a. Columbia-Chef Clive Davis, Jerry Wexler von Atlantic, Warner-Boss Mo Austin und nicht zuletzt Dylan-Manager Albert Grossman. Zum ersten Mal war hier die experimentelle, allenfalls semiprofessionelle Psychedelic-Szene des Haight-Ashbury auf die Repräsentanten des Showbiz getroffen. Mit Folgen: Davis & Co witterten einen neuen Markt und statteten die zottelhaarigen Hippiegruppen nun sogleich mit Plattenverträgen und großzügigen Vorschüssen aus. Landesweit vermarktet wurden deren bald erscheinende Alben als sensationeller „San Francisco Sound“, bedröhnte LSD-Jünger wurden so zu glamourösen Rock-stars. Es war der Moment, in dem der ewige Konflikt zwischen Kunst und Kommerz die junge Rockmusik erfasst hatte. Auf breiter Front hielt sie nun Einzug in den Pop-Mainstream, ihre Unschuld aber hatte sie verloren.
Das erste große Rockfestival war Monterey übrigens nicht: Bereits am 10. und 11. Juni 1967 hatte sich nördlich von San Francisco, im Cushing Memorial Amphitheatre, Marin County, die Elite der kalifornischen Rockszene getroffen, darunter Jefferson Airplane, The Byrds, Canned Heat, Country Joe And The Fish, Captain Beefheart, The Sparrow (später Steppenwolf) und The Doors.
30.000 Hippies, so viele wie eine Woche später in Monterey, hatten sich versammelt, und die aus Imbissbuden, Poster-, Schmuck- und Kunstshops bestehende, bis in unsere Tage übliche Festival-Folklore war ebenfalls vorhanden. Nur: Es war kein Kamerateam vor Ort. Und auch keine Business-Häuptlinge aus Los Angeles.
Die steckten sich ihre Blumen ein paar Tage später ins Haar, flogen nach Monterey und vergaßen auch die Scheckhefte nicht. Die Hippies allerdings fanden nun abseits des neuen Lifestyles ihre eigentliche Bestimmung – die des Goldesels einer auf Massenumsätze ausgelegten Entertainmentindustrie. Kein Anlass indes für Dolchstoßlegenden und Krokodilstränen, denn abseits aller romantischen Verklärung markierte Monterey vor allem eben auch einen Paradigmenwechsel in der Popkultur der westlichen Welt. Next level: Woodstock.