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Keith Richards: Der Stones-Gitarrist im großen Interview

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Keith Richards: Der Stones-Gitarrist im großen Interview

Keith Richards bei den Aufnahmen zu Crosseyed Heart

Als Kind denkt man, irgendwann macht es click, und man wird automatisch zu einem dieser sogenannten Erwachsenen, die man früher immer als Lehrer hatte. Stattdessen wird man körperlich einfach nur älter, während sich im Kopf vieles noch genauso anfühlt wie vor 20 oder 30 Jahren.
Man steht eben plötzlich am anderen Ende der Skala und blickt aus einer anderen Perspektive auf die Dinge. Aber ich habe keine Probleme mit dem Älterwerden. So lange meine Enkel mich lieben, ist alles in Ordnung. (lacht)

Du bist heute an einem ähnlichen Punkt, den auch deine Vorbilder aus der Jugend erreicht haben. Ein allseits geachteter, in Ehren ergrauter Musiker wie B.B. King oder Muddy Waters. Das hätte man sich in den 60ern gar nicht vorstellen können, Rock’n’Roll war damals ausschließlich Sache der Jugend.
Es ergibt keinen Sinn, durch diese ganze Scheiße zu laufen, ohne jeden Inhalt. Die Familie, Kinder, Enkel, die Leute, denen man über die Jahre begegnet, Freunde… Das ist alles, worum es geht, der Sinn des Lebens, wenn man so will. Ich bin in dieser und auch in jeder anderen Hinsicht gesegnet und hatte wahnsinniges Glück. Hoffentlich muss ich dafür im Leben danach nicht den Preis bezahlen. (lacht) Insofern vielleicht ganz praktisch, dass ich an so was nicht glaube: ein Leben nach dem Tod. Nein, mein Freund, das hier ist eine einmalige Sache, es gibt keine zweite Chance. This is a one off, baby! (lacht)

Seit über 50 Jahren mit den alten Jugendfreunden zusammen in der größten Band der Welt zu spielen und damit immer noch erfolgreich zu sein, ist alleine schon weit mehr, als man erwarten kann.
Das ist in der Tat mehr, als irgendein Mensch erwarten kann, ich bin mir dessen bewusst. Aber es fühlt sich nicht so an, ich bilde mir nichts darauf ein.

Du hast den Menschen viel gegeben mit dieser Musik.
Nicht mehr, als die Menschen mir gegeben haben, das hier ist keine Einbahnstraße. Ohne die Reaktionen auf die Musik wäre ich nichts, du und alle anderen haben mich zu einem glücklichen Mann gemacht.

Und was macht dieser glückliche Mann, wenn er gerade nicht auf Tour oder im Studio ist?
Die Frau steht morgens als erstes auf und schmeißt die Hunde aus dem Bett. In letzter Zeit schlafen sie nämlich immer bei uns – abgesehen von diesen besonderen Momenten, zu denen wir sie rausschmeißen. (lacht) In den Phasen nach den Tourneen schlafe ich länger als sonst üblich, im Allgemeinen bis mittags. Mein Enkel weckt mich dann meistens. Anschließend wird gefrühstückt, und dann gehe ich mit den Hunden raus. Nun ja, nichts Besonderes, wie bei jedem anderen auch: Die Hunde sind da, die Katze ist da, die Familie ist da. Ich bringe den Müll runter und mache einen Haufen normaler Sachen.

Kaufst du noch aktuelle Platten?
Meistens stecken mir die Leute welche zu. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, wann ich zuletzt selbst etwas gekauft habe. Meine Musikerfreunde schicken mir regelmäßig ihre neuen Sachen zu. Tom Waits, Lee Perry, irgendwas kommt immer. Bisweilen höre ich auch interessante neue Sachen im Radio. Generell kommt es mir aber so vor, dass die aktuelle Musik ein Spiegel der generellen Entwicklung der letzten Jahre ist. Alles muss überall sofort verfügbar sein, auf Anhieb funktionieren. Insofern wird nur noch Instantmusik produziert, die sich bereits erschließt, wenn man sie kurz auf dem Smartphone anspielt. Ich hingegen kann mir unmöglich Musik auf einem Mobiltelefon anhören.

Besitzt du den selbst überhaupt ein Smartphone oder einen Computer?
Nichts dergleichen. Ich habe ein kleines iPad. Allerdings nur, um darauf mit den Kindern Scrabble und Backgammon zu spielen. Warum sollte ich mir so ein Telefon zulegen? Damit es tagaus, tagein unablässig surrt und mir in einem Fort auf die Nerven geht?

Hast du das Gefühl, dass Musik heutzutage noch in irgendeiner Form Protestmedium sein kann wie zu deiner Zeit? Es gäbe ja ausreichend Anlass …
So ist es leider. Es mag einige wenige Zeichen der Hoffnung gegeben haben, aber insgesamt hat sich seit damals absolut nichts verändert. Es ist immer noch dieselbe Scheiße wie immer.

Nur mit dem Unterschied, dass es kaum noch einen Aufstand dagegen gibt. Als die Leute in England während der Riots vor einigen Jahren die Gelegenheit dazu hatten, entschieden sie sich stattdessen, die Unruhen zu nutzen, um sich unbehelligt mit Turnschuhen, Fernsehern und anderen Konsumgütern eindecken zu können. Ich will nicht kulturpessimistisch klingen, es gibt immer noch eine Menge großartiger Musik da draußen. Aber sie nimmt überwiegend keinerlei Bezug auf aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen.
Ich kenne eine Menge guter Leute. Ich denke, es hat viel mit der Art zu tun, wie Musik heute vermarktet und vertrieben wird. Es ist einfach zu viel von allem, die Leute verlieren den Überblick und gehen nicht in die Tiefe, darauf sind diese Oberflächlichkeit, der Mangel an Inhalten zu­­rückzuführen. Es gibt gute Bands da draußen, tolle Musiker, aber die Technik hat die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne der Leute soweit minimiert… Keiner hat mehr Zeit, wir leben in einer Ära der tausend Optionen und ständigen Verfügbarkeiten.

Mick Jagger hatte vorgestern Geburtstag, hast du gratuliert?
Selbstverständlich. Aber er ist nicht ans Telefon gegangen. (lacht) Also habe ich ihm eine Kiste Wein geschickt, inzwischen ist sie vermutlich eingetroffen. Ich denke, er möchte nicht gerne an sein Alter erinnert werden und geht deshalb nicht ans Telefon. Das kann ich gut verstehen, ich will auch nicht ständig daran erinnert werden.

So ein Telefonat wäre allerdings eine gute Gelegenheit gewesen, darüber zu sprechen, wann du endlich mit den Stones ins Studio zurückkehrst. Gibt es diesbezüglich Pläne?
Ich hoffe sehr, dass es nächstes Jahr dazu kommt. Ich versuche alles, aber wie in jedem anderen Kollektiv müssen alle zu­­stimmen, bevor es funktioniert. Und wenn ich bei diesen Jungs über die Jahre eines gelernt habe, dann, dass man sie nicht zu solchen Dingen zwingen kann – obwohl ich das manchmal gerne tun würde. (lacht) Wenn sie keine Lust haben, kommt auch nichts Gutes dabei heraus. Es ist eine Frage des Timings. Wir könnten im Dezember starten, aber Dezember ist traditionell ein schlechter Monat, weil alle mit den Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt sind. Ich stimme dir trotzdem zu, es wird allerhöchste Zeit für ein neues Stones-Album. Letztlich ist das auch der Grund, aus dem ich diese Platte hier gemacht habe: Weil die Stones keine Lust hatten, eine zu machen.

In der Vorbereitung dieses Interviews habe ich zum ersten Mal seit längerer Zeit das letzte Stones-Al­bum A BIGGER BANG gehört. Gute Platte, unter Umständen um einige Songs zu lang.
Das stimmt, sie ist ein bisschen lang geraten. Aber A BIGGER BANG hat insgesamt das Beste aus dieser Band herausgekitzelt und ist viel besser als einige unserer Alben davor. Üblicherweise haben die besten Sachen bei uns sowieso immer die Initialen BB: ›A Bigger Bang‹, ›Beast Of Burden‹, ›Bridges To Babylon‹, ›Between The Buttons‹ – ich könnte ewig so weitermachen. Aus irgendeinem Grund haben die Stones ein Faible fürs doppelte B. (lacht)

Seit vielen Jahren dauern die Konzerte der Stones mindestens zwei Stunden. Ihr habt also ausreichend Zeit, warm zu werden, auf den Höhepunkt zuzusteuern, die Show zu inszenieren. Als ihr angefangen habt, dauerten Konzerte selten länger als 30 Minuten. Wie habt ihr es damals geschafft, auf den Punkt fokussiert und bereit zu sein?
Wenn die Konzerte überhaupt einmal 30 Minuten dauerten! Im Allgemeinen spielte man fünf oder sechs Songs, keiner hatte damals mehr Zeit als 20 Minuten. Wir hatten allerdings das Glück, dass die meisten Bühnen innerhalb kürzester Zeit von den Girls und den Cops gestürmt wurden. Also blieben meist nur zehn Minuten, bevor sowieso alles egal war. Heilloses Durcheinander auf der Bühne, irgendwer schrie „run for your life“ – so lief das damals in neun von zehn Fällen. Mehr als zwei Songs haben wir also selten gespielt in den frühen Tagen.

Zufluchtsorte gibt es inzwischen genug: Du besitzt eine ganze Reihe von Immobilien überall auf der Welt. Die meiste Zeit verbringt die Familie aber auf dem Anwesen in Connecticut, richtig?
Nun, wir sind viel unterwegs, aber ja, that’s what we call the Führerbunker. (lacht)

Ein Naziwitz ist in einem Interview mit einem deutschen Journalisten für einen Engländer eine gute Quote, nicht? Und Connecticut ist vermutlich ruhiger als die Gegend, wo wir jetzt sind, es früher war. Wir befinden uns in der Bowery, die bis zu einer Gentrifizierungswelle in den 90ern ein zwielichtiger und gefährlicher Ort war. In deinen wilden Tagen warst du hier in anderer Mission unterwegs…
Nun, beinahe jede Gegend in New York war zu ihrer Zeit gefährlich, und ich kenne sie alle. Man muss immer aufpassen… Der Grad der Gefahr hängt von der Tages- oder Nachtzeit ab – und natürlich vom Jahrzehnt, in dem man sich befindet. Wie wir alle hat sich auch New York extrem verändert, seitdem ich zum ersten Mal hier war. Aber es ist immer noch eine faszinierende Stadt.

Du trägst seit Ewigkeiten diesen Totenkopfring, ist das immer noch dasselbe Exemplar wie damals oder musstest du zwischenzeitlich einen neuen anfertigen lassen?
Es ist immer noch derselbe. David Courts, der auch mein Armband hier gemacht hat, hat ihn 1978 für mich gefertigt, als ich gerade mit dem Heroin aufhörte. Beide Schmuckstücke sind insofern eine stetige Erinnerung an zwei der wichtigsten Dinge für mich überhaupt. Der Ring: Beauty is only skin deep. Das Armband (in Form einer Kette, Anm.d.Red.): Never get arrested again. (lacht) Das sind die einzigen Botschaften, die ich jeden Tag empfangen muss.

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