Was vor der Newport-Bühne geschah, war denn auch bei weitem nicht so dramatisch, wie es hinterher dargestellt wurde. Dennoch hatte es im Auditorium vernehmbare Buhrufe gegeben. Ob sie von Puristen kamen, die mit Dylans elektrifizierter Darbietung von ›Maggie’s Farm‹, ›Like A Rolling Stone‹ und ›Phantom Engineer‹ (einer frühen Version von ›It Takes A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry‹) nicht einverstanden waren, sei dahingestellt. Mindestens genauso wahrscheinlich dürften Unmutsbekundungen wegen des lausigen Bühnensounds und Dylans knapp bemessener Auftrittszeit gewesen sein.
So klang Bob Dylans Performance beim Newport Folk Festival 1965:
Festival-MC Peter Yarrow freilich fühlte sich nach dem Abgang von Band und Sänger bemüßigt, das Auditorium zu beruhigen und die lautstark geforderte Zugabe mit dem Hinweis anzukündigen: „He’s gotta get an acoustic guitar!“ Danach brandete noch einmal Extra-Applaus auf. Zweifellos also befanden sich im Publikum viele, die Dylan lieber als Folkie sehen wollten. Mit einer Akustikversion von ›It’s All Over Now, Baby Blue‹ tat er ihnen den Gefallen – ein letztes Mal
Als Dylan von der Stimmung hinter der Bühne erfuhr, war er zutiefst erschüttert. In Martin Scorseses Dokumentarfilm „No Direction Home“ (2005) erinnert er sich vor allem an Seeger: „Wieso Pete Seeger, dessen Musik ich doch mochte? Das war für mich wie ein Dolchstoß. Bei dem Gedanken daran wollte ich mich betrinken.“
Auf der folgenden Welttournee, die Dylan mit den Musikern von The Band unternahm, kam es zu wesentlich schärferen, eindeutig als Missbilligung gemeinten Reaktionen des Publikums. Vor allem die linksintellektuelle, von den politischen Idealen der Bürgerrechtsbewegung durchdrungene Hörerschaft nahm Dylan die Hinwendung zum Rock und die Weigerung übel, als Sprachrohr der Bewegung zu fungieren. Allen Ginsberg fasste die damalige Stimmung einmal kurz und bündig zusammen: „Er verärgerte alle, weil er nicht auf Befehl Männchen machte.“
Was zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen war: Die Newport-Kontroverse und Dylans anschließende Welttournee wurden ebenso wie seine berühmte Album-Trilogie der Jahre 1965/66 zum Schlüsselmoment beim Schulterschluss zwischen Popkultur und gesellschaftlicher Avantgarde. Jetzt erst gingen die Sixties so richtig los.